„Women, Life, Freedom“ against the War. A Statement against Genocidal Israel and the Repressive Islamic Republic, 23. Juni 2025, https://de.crimethinc.com/2025/06/23/women-life-freedom-against-the-war-a-statement-against-genocidal-israel-and-the-repressive-islamic-republic.
Es ist schon wieder sechs Wochen her: In den frühen Morgenstunden des 13. Juni 2025 begann Israel einen völkerrechtswidrigen Angriff auf Teheran. Der Iran schlug innerhalb weniger Stunden zurück und feuerte Raketen auf Dutzende militärische Einrichtungen in Israel ab. Die Notwendigkeit des Kriegs begründete die israelische Regierung damit, dass der Iran unmittelbar vor der Fertigstellung einer Atombombe stehe – eine unbelegte Behauptung, die Premierminister Benjamin Netanjahu seit 1992 wiederholt. Neun Tage nach Kriegsbeginn traten die USA offiziell auf der Seite Israels in den Krieg ein. Nach Angaben der in den USA ansässigen Menschenrechtsorganisation Human Rights Activists in Iran (HRANA) wurden bei den israelischen Angriffen fast 1.000 Menschen getötet und über 3.500 verletzt. Bei den Angriffen von Iran auf Israel wurden 29 Israelis getötet und 172 verletzt. Nach zwölf Tagen wurde der Krieg mit einer von den USA initiierten Feuerpause vorläufig beendet.
Wir stellen hier ein Statement des Kollektivs Roja vor, das bereits am 16. Juni auf Farsi erschienen ist und eine Woche später in englischer Übersetzung vom dezentralen Netzwerk CrimethInc. veröffentlicht wurde. Inzwischen liegt es auch in vielen anderen Sprachen vor. Roja ist ein unabhängiges internationalistisches Kollektiv aus Paris bestehend aus kurdischen, afghanischen (Hazara) und iranischen Feminist*innen, das sich 2022 als Reaktion auf die Frau, Leben, Freiheit-Proteste im Iran gegründet hat.
Das Statement bettet die Kriegsereignisse in den Kontext jüngerer iranischer Geschichte ein, zieht eine kritische Bilanz militärischer Interventionen des „War on Terror“, etwa in Afghanistan und Irak, und insistiert: Es gibt keinen „gerechten“ Krieg oder gerechtfertigte Bombardierungen. Mit analytischer Klarheit positioniert sich Roja gegen die diskursiven Vereinnahmungsversuche von allen Seiten. In der Diskussion um den sogenannten Zwölftagekrieg stehen sich die Unterstützer*innen des vermeintlichen „Präventivschlags“, die das Narrativ der Selbstverteidigung Israels und des „Regime-Changes“ im Iran forcieren, denen gegenüber, die das Islamische Regime zum antiimperialistischen Widerstandskämpfer gegen westliche Großmächte stilisieren. Während monarchistische Gruppen zivile Opfer als hinnehmbaren Kollateralschaden im Kampf gegen das islamische Regime rechtfertigen, nutzt das Regime die Lage gezielt zur Repression politischer Gegner*innen und marginalisierter Gruppen.
Roja verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Israels und die Einmischung der USA ebenso entschieden wie das patriarchal-repressive Regime der Islamischen Republik: „Genocidal imperialist projects will never liberate us, nor will patriarchal nationalist regimes protect us.“ Das Kollektiv benennt den Krieg Israels, der angeblich nur gegen die iranischen Atomanlagen und Regimefunktionäre gerichtet war, als Aggression gegen die gesamte Bevölkerung Irans und gegen die Grundsätze und Akteur*innen der Frau, Leben, Freiheit-Proteste. Zusätzlich kritisiert es jene, die nicht zwischen Grassroot-Widerstandsbewegungen und dem Handeln einer Staatsmacht differenzieren können und somit zum Beispiel die jahrzehntelange Selbstorganisierung der Arbeiter*innenklasse unsichtbar machen.
Das Kollektiv relativiert nicht, sondern übt differenzierte Kritik an den Regierungen beider Länder: an der israelischen Regierung, die renommierten Expert*innen und Menschenrechtsorganisationen zufolge gerade einen Genozid in Gaza verübt und seit Jahrzehnten Palästinenser*innen die Selbstbestimmung verweigert – und an der iranischen Regierung, die Oppositionelle, ethnische Minderheiten, Frauen und viele andere seit Jahrzehnten unterdrückt, verfolgt und hinrichtet. Iran, so fordert Roja, dürfe weder durch externe Interventionen in ein zweites Libyen verwandelt werden, noch Schauplatz erneuter Massenhinrichtungen durch das islamische Regime wie im Sommer 1988 werden.
Indem es sich mit Grassroot-Widerstandsbewegungen „from Kabul to Tehran, from Kurdistan to Palestine, from Ahvaz to Tabriz, from Balochistan to Syria and Lebanon“ solidarisiert, erteilt das Kollektiv eine Absage an alle Legitimierungsversuche staatlicher Kriegsführung und externer Regime-Change-Bestrebungen. Ausschließlich Widerstandsbewegungen von unten können mit politischen Mitteln langfristige Veränderungen erstreiten.