Peter Beinhart im Gespräch mit Karen Attiah über Jüdischsein

Peter Beinart: Being Jewish After the Destruction of Gaza: A Reckoning, Gespräch mit Karen Attiah, Bookstore Politics and Prose, Washington DC, 25. Februar 2025.

Hier „picke“ ich ein Gespräch mit Beinhart, geführt mit Karen Attiah, am 25. Februar 2025 in einem überfüllten Buchladen in Washington DC, das ich besonders bewegend finde. Er ringt – auf der Grundlage seines jüdischen Glaubens und seines Verständnisses von jüdischer Tradition – um konkrete Antworten auf konkrete ethische Fragen angesichts der Zerstörung Gazas und des andauernden Genozids an den Palästinenser:innen. Dass so viele jüdische Gemeinden sich über den Zionismus und über Israel definieren und Apartheid und Genozid mit dem Schutz des Judentums legitimieren, versteht er auch als Ausdruck einer spirituellen Armut und der Trivialisierung jüdischer Traditionsbestände. Fast immer werde die Geschichte des jüdischen Volkes nur als Geschichte von Opfern und von Selbstbehauptung erzählt: das jüdische Volk in einem Überlebenskampf mit dem absolut Bösen, mit „Amalek“. Dabei werde übergangen, dass in den biblischen Geschichten auch Jüd:innen Täter sind und, wie jedes Volk, Massenverbrechen begehen können. Für die spirituelle Praxis und ethisch-religiöse Bildung sei es jedoch wichtig, die Möglichkeit zu berücksichtigen, selbst Täter zu sein. Er ruft ein Judentum auf, in der Jüd:innen gleiche Rechte benötigen und beanspruchen, wo immer sie leben, und nicht die Suprematie eines Staates, der die Selbstbestimmungsrechte und Menschenrechte von Nichtjuden verletzt . 

Beinhart erzählt von Freunden und Verwandten, „loved ones“, die wegen seiner klaren Haltung zum Genozid den Kontakt zu ihm abgebrochen haben. Er erklärt ihr Schweigen und ihre Abwendung damit, dass sie schlechtere oder gar keine Argumente haben. Sie können sich aufrichtigen Diskussionen nicht stellen und wollen nicht zuhören. Aber es ist sehr eindrucksvoll, dass und wie seine leidenschaftlichen Stellungnahme nie moralisch überheblich oder verhärtet klingt. Er entzieht sich der Instrumentalisierung der Geiseln und den „Empathie“-Bekenntnissen, und um so glaubwürdiger wirkt die Empathie, die er für die Geiseln zeigt, auch in der gemeinsamen Zugehörigkeit zum jüdischen Volk. 

Im Gespräch gibt es eine längere Passage, in der er über seine Erfahrungen in Südafrika spricht, wo sich ebenfalls eine suprematistische Elite aus Angst vor dem durchaus gewaltsamen Widerstand und der Rache der ANC die Abschaffung der Apartheid nicht vorstellen konnte. Die Geschichte Südafrikas und auch Irlands lehren, dass die eigene Sicherheit zunimmt, wenn ein Unterdrückungsregime endet, weil dann terroristischer Widerstand überflüssig wird. Diese Erkenntnis will Beinhart auf Israel/Palästina übertragen. Aber hört am besten selbst: 

↗ https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=yBwLLJM1EGw