Dörthe Engelcke/Elad Lapidot/Alex Müller: Steinmeier in Israel: Zu Besuch bei einem Angeklagten, taz, 14. Mai 2025.
Der Staatsbesuch mit militärischen Ehren für den israelischen Präsidenten Isaac Herzog in Berlin und der anschließende Besuch von Bundespräsident Steinmeier in Israel stehen sinnbildlich für die Doppelmoral deutscher Außenpolitik – und für die Feigheit deutscher Politiker, die israelischen Kriegsverbrechen klar zu benennen. Bundespräsident Steinmeier bezeichnete das Fundament der deutsch-israelischen Beziehungen als „tief und tragfähig“. Es trage „die Erinnerung an die Vergangenheit ebenso in sich wie die geteilten Werte zweier liberaler rechtsstaatlicher Demokratien“. Diese Aussagen offenbaren das Ausmaß deutscher Realitätsverweigerung. Während in Gaza eine eingesperrte, ausgehungerte und traumatisierte Zivilbevölkerung weiter systematisch ausgelöscht wird, feiert Deutschland 60 Jahre diplomatischer Beziehungen mit hohlen Symbolakten, Fototerminen und demonstrativer Freundschaft. Zum jetzigen Zeitpunkt kann dieser Besuch kaum anders als diplomatische Rückendeckung für den Genozid an der palästinensischen Bevölkerung verstanden werden.
Dabei hätte der 60. Jahrestag der deutsch-israelischen Beziehungen auch anders begangen werden können. Das groteske Spektakel war nicht alternativlos. Der Bundespräsident hätte sich mit kritischen Wissenschaftler:innen, Journalist:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft treffen können, die in Israel zunehmend unter Druck geraten. Das wäre ein Zeichen gewesen, dass Deutschland jene Stimmen stärkt, die für Demokratie, Menschenrechte und Frieden eintreten. Stattdessen bleibt eine verpasste Chance – und die bedrückende Einsicht, dass sich mit Politiker:innen, die nicht imstande sind, die Tötung von über 17.000 Kindern in Gaza klar zu verurteilen, der Faschismus auch in Deutschland jederzeit wiederholen kann.
Vor Antritt des Staatsbesuchs hatte KriSol an den Bundesminister Steinmeier appelliert: „Nutzen Sie die Jahresfeier als Gelegenheit, ein Zeichen für ein Ende der Gewalt, für Gerechtigkeit und für Menschlichkeit zu setzen. Laden Sie israelische Friedensaktivist:innen, Menschenrechtler:innen, kritische Journalist:innen und Intellektuelle, Holocaustüberlebende, palästinensische Bürger:innen Israels sowie engagierte zivilgesellschaftliche Organisationen wie Standing Together, Israelis für Frieden, Breaking the Silence und B’Tselem ein. Die Stärkung dieser Stimmen wäre in der aktuellen Situation ein wichtiges Signal – sowohl an die Menschen in der Region als auch an die internationale Gemeinschaft –, dass sich Deutschland nicht selektiv, sondern konsequent zu den Menschenrechten und zum Völkerrecht bekennt.“