Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit Implikationen für Waffenlieferungen an Israel

González Hauck, Sué; Theilen, Jens T.: Vertrauen und Vertretbarkeit: Das Ramstein-Urteil und seine Folgen für Waffenlieferungen an Israel, VerfBlog, 21.7.2025, https://verfassungsblog.de/ramstein-voelkerrecht-verantwortung/, DOI: 10.59704/eca51e26067a2044.

Sué González Hauck und Jens Theilen arbeiten in ihrer Analyse auf dem „Verfassungsblog“ zunächst heraus, was das Problem des Urteils ist. Das Bundesverfassungsgericht stellt zwar klar, dass bei Angriffen verbündeter Staaten eine grundrechtliche Schutzpflicht Deutschlands gegenüber Menschen in Drittstaaten bestehen kann. Voraussetzung dafür ist unter anderem die systematische Verletzung des Völkerrechts durch den Angreifer. Ob eine solche vorliegt, beurteilt das Bundesverfassungsgericht jedoch anhand eines allzu flexiblen Maßstabs der “Vertretbarkeit” und kommt für die US-amerikanischen Drohnenangriffe zum Schluss, dass keine Schutzpflicht Deutschlands besteht und die Unterstützung der US-amerikanischen Angriffe von deutschem Boden aus rechtens ist.

Diese Flexibilität hat Konsequenzen: Die Handhabung der Vertretbarkeitsprüfung durch das Bundesverfassungsgericht führt dazu, dass es die diskursiven Deutungsschemata („frames“), die in Deutschland und in mit Deutschland verbündeten Ländern hegemonial sind, nahezu unhinterfragt übernimmt. Schon Judith Butlers Analyse der „frames of war“ hat gezeigt, dass innerhalb dieser Deutungsschemata Menschenleben einen unterschiedlichen Wert haben und manche Menschenleben nicht zählen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts übernimmt die “frames of war” des gegenwärtigen hegemonialen Diskurses, indem es Menschen im Jemen implizit als legitimes Ziel von Gewalt konstruiert.

Butlers Analyse und andere Werke zu anti-palästinensischem Rassismus zeigen, dass gerade palästinensisches Leben innerhalb solcher Deutungsschemata nicht zählt. Entscheidend für Gerichtsverfahren zur Lieferung von Waffen an Israel wird daher sein, wie sehr sich die Gerichte von diesen Deutungsschemata lösen können. González Hauck und Theilen sehen in dem Urteil trotz des ernüchternden Ausgangs im Fall der US-amerikanischen Drohnenangriffe im Jemen auch Anknüpfungspunkte für Gerichtsverfahren gegen die deutsche Unterstützung des Vorgehens Israels in Gaza.  Die Idee einer grundrechtlichen Schutzpflicht bei Angriffen anderer Staaten bietet immerhin eine Handhabe, um den deutschen Waffenlieferungen an Israel entgegenzutreten – denn die systematischen und von internationalen Gerichten und Organisationen gut dokumentierten Völkerrechtsverstöße Israels sprengen selbst die permissiven Grenzen der bundesverfassungsgerichtlichen „Vertretbarkeit“.

Diese Fragen bleiben relevant – trotz der jüngsten Ankündigung des Bundeskanzlers, keine weitere Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter zu genehmigen, „die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können“. Diese Entscheidung kommt viel zu spät, betrifft nicht schon genehmigte Exporte und auch prospektiv nur einen Teil der Waffenlieferungen an Israel. Die gegen Waffenlieferungen anhängigen Klagen laufen weiter.

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