
Am 4. Juni 2025 hat der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) seinen Jahresbericht 2024 in der Bundespressekonferenz vorgestellt. RIAS ist eine Organisation, die in Deutschland ein kontinuierliches Monitoring antisemitischer Vorfälle durchführt, auf dessen Grundlage staatliche Stellen und die Politik Maßnahmen zur Antisemitismus-Bekämpfung ergreifen. Entstanden ist sie aus den „antisemitismuskritischen“ Kontexten einer stark opferzentrierten Rassismusbekämpfung der 2000er Jahre, als sich die Amadeu Antonio Stiftung und andere antideutsche Player von machtkritischen Analysen verabschiedeten, den Versuchungen der Staatsnähe erlagen und begannen, sich an der staatlichen Instrumentalisierung des Opferbegriffs zu beteiligen.
Laut Bericht und Statistik des RIAS 2024 sind die Zahlen antisemitischer Vorfälle in Deutschland dramatisch angestiegen, wie auch schon in den Vorjahren. Es dürfte wohl niemand bezweifeln, dass der Antisemitismus, auch im engsten Verständnis – als Feindschaft gegen Juden, weil sie Juden sind – zugenommen hat und weiter zunimmt. Nichts wäre nötiger als eine sorgfältige Statistik, eine zuverlässige Datenbasis und ein entsprechendes Monitoring, um besser zu verstehen, welche Formen, Gründe, Ausmaße und Orte der heutige Antisemitismus hat, in welchem politischen Lager auch immer, und um ihn wirksamer zu bekämpfen.
RIAS arbeitet jedoch mit Prämissen und unter Voraussetzungen, die mit guter wissenschaftlicher Praxis in Konflikt stehen – und daran ändert auch nichts, wenn der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz das nicht erkennt. Der Verband bedient sich einer Antisemitismus-Definition – der IHRA-Arbeitsdefinition –, die schon seit Jahren rechtlich und wissenschaftlich zumindest umstritten ist, wenn nicht sogar als untauglich abgelehnt wird, weil sie Dinge vermischt, wo man differenzieren müsste. Statt in dubio pro reo gilt für den RIAS beim „israelbezogenen Antisemitismus” der Grundsatz, dass dessen Feststellung auch bei Zweifel gerechtfertigt ist – im angeblichen Interesse seiner tatsächlichen, vermeintlichen oder potentiellen Opfer. Er setzt jede Form von Antizionismus nahezu umstandslos mit Antisemitismus gleich, enthistorisiert und essentialisiert ihn und legt deutungsoffene und diskussionsbedürftige Aussagen auf zum Teil abenteuerliche Lesarten fest. Und er reflektiert nicht, dass er mit der Entscheidung darüber, wer oder was antisemitisch ist, Macht ausübt und Lebensläufe zerstören kann, ohne dass er die Möglichkeit einer Berufung einräumt.
Ich zitiere hier aus dem Jahresbericht 2024 nur zwei Passagen, die aus meiner Sicht zeigen, wie unverantwortlich RIAS mit dieser Macht umgeht und wie wenig er sich um Empirie und Genauigkeit schert:
„Knapp 7% aller [antisemitischer] Versammlungen ordnete RIAS einem links-antiimperialistischen Hintergrund zu. Anlässlich des sogenannten Nakba-Tages – eines palästinensischen und islamistischen Kampagnentages gegen die israelische Staatsgründung – veranstaltete im Mai in Erfurt die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) eine Versammlung. In einem Redebeitrag hieß es: ‚Israel ist nicht mehr das Land der verfolgten Juden, sondern eine Großmacht […]. Israel ist zum Täter geworden.‘ Im Sinne einer antisemitischen Täter-Opfer-Umkehr wird hier Jüdinnen_Juden abgesprochen, noch Opfer der Schoa zu sein, und stattdessen eine vergleichbare Täterschaft behauptet. Mit Bezug auf den Vorwurf, Israel begehe einen Genozid, wurde die Schoa relativiert: ‚Wenn man die Definition des Völkermordes so eng nimmt, dass das gesamte Volk vernichtet wird, dann gab es auch keinen Völkermord gegen die Juden.‘ RIAS nimmt Genozid-Vorwürfe gegen Israel als antisemitische Vorfälle gemäß der IHRA-Arbeitsdefinition auf, wenn sie das jüdische Recht auf Selbstbestimmung abstreiten, wenn sie Symbole oder Bilder verwenden, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen, oder wenn sie einen Vergleich der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten darstellen.“ (S. 23)
Die Selbstwidersprüche und Tatsachenverdrehungen liegen auf der Hand: 1) Der Nakba-Tag mag in manchen Kontexten missbraucht werden, doch die Nakba – die Vertreibung und Flucht von über 700.000 arabischen Palästinenser:innen im Zuge der Staatsgründung Israels und des Palästinakrieges (1947–1949) – ist passiert, und daran darf und soll erinnert werden. 2) Dass Israel als Staat, und nicht nur mit seiner gegenwärtigen Regierung, eine Großmacht ist und seit 1967 mit einer völkerrechtswidrigen Besatzung auch „Täter“, ist eine Tatsache. 3) Der inkriminierte Satz relativiert die Schoah nicht, sondern sagt ja gerade, dass es sich dabei um einen Völkermord handelte. Er schließt auch nicht aus, dass sie mehr war als ein Völkermord, dass sie sogar singulär war. 4) Man mag die Äußerungen nicht besonders feinfühlig finden, doch streiten sie weder ein jüdisches Recht auf Selbstbestimmung ab, noch verwenden sie traditionell antisemitische Symbole oder Bilder, noch vergleichen sie die israelische Politik mit dem Nationalsozialismus.
Ein zweites Beispiel: „Dem skizzierten Zuwachs antisemitischer Vorfälle in explizit politischen Kontexten im Jahr 2024 droht die Politik derweil mit einer zunehmenden Gewöhnung an antisemitische Vorfälle und mit deren Normalisierung zu begegnen. So dauerte es über ein Jahr, bis der Bundestag eine Antisemitismus-Resolution verabschiedete, der sich nicht alle demokratischen Fraktionen und Gruppen anschlossen.” (S. 6)
Zum einen hatte die Kritik an der Antisemitismus-Resolution des Bundestages wohlüberlegte, gute, inhaltliche Gründe, die von RIAS unterschlagen werden. Es gab eine von Wissenschaftler:innen erarbeitete Alternativ-Resolution, die nicht zur Abstimmung zugelassen wurde und die einige Abgeordnete, die sich dann in der Abstimmung enthielten, gerne unterstützt hätten. Zum anderen deutet die Tatsache, dass der – leider – mit überwältigender Mehrheit verabschiedeten Bundestagsresolution nur zwei Handvoll Enthaltungen zu den hundert Prozent fehlten, vor allem auf eine Normalisierung eines autoritären Diskurses und Gewöhnung an autoritäre Politik hin. 100-Prozent-Zustimmungen waren vielleicht in der DDR die Regel, sollten aber von keinem freien Parlament erwartet werden.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass solche Passagen in den RIAS Berichten mit intellektueller Schwäche und institutioneller Verantwortungslosigkeit alleine nicht zu erklären sind. Vielmehr wird ein Strohmann aufgebaut. Der „israelbezogene Antisemitismus“, dem RIAS den Kampf angesagt hat, ist in weiten Teilen eine Unterstellung und in erster Linie dazu geeignet, die wachsenden Proteste gegen das israelische Vorgehen in Gaza und der Westbank zu stigmatisieren und um autoritäre Politiken in Deutschland zu rechtfertigen. Der Strohmann funktioniert umso besser, als es durchaus auch einen echten israelbezogenen Antisemitismus gibt.
Deshalb muss auf Differenzierung bestanden werden: Es ist nicht antisemitisch, die problematische Genese des Staates Israels – und damit auch die Probleme seiner „Existenz“ – zu adressieren; vielmehr lassen sich die Verbrechen der amtierenden rechtsradikalen Regierung in Israel ohne Kenntnis der Genese nicht verstehen. Sehr wohl antisemitisch ist es hingegen, diese problematische Genese auf die „anderen“ – seien es Israelis oder gar Juden und Jüdinnen – abzuwälzen. Stattdessen muss sie als Problem unserer Staatenwelt insgesamt – und vor allem auch Deutschlands – anerkannt werden. Ebenso ist es antisemitisch, Juden und Jüdinnen auf einen exklusiven und ausgreifenden, ethnisch-religiös definierten Staat zu reduzieren; genau dies aber legt der RIAS-Bericht nahe.
Immerhin scheint sich RIAS den Diskursveränderungen und dem Stimmungswandel, der inzwischen sogar in der Bundesregierung zu beobachten ist, angesichts der Ereignisse in Gaza und der Westbank, ebenfalls in winzigen Schritten anzupassen. In der Pressekonferenz am 4. Juni rückte RIAS davon ab, es umstandslos als antisemitisch zu klassifizieren, wenn die Besatzungsherrschaft Israels als „Apartheid“ oder die israelische Kriegsführung in Gaza als „Genozid“ bezeichnet werden. Nun solle doch der Kontext bestimmend sein. Der Bericht 2024 allerdings zeigt, dass das Sprechen über „israelische Apartheid“ durchaus auch ohne Kontext in die Statistik eingegangen ist. Der Slogan „Kein Pride der Apartheid” wurde als antisemitischer Vorfall gezählt, obwohl er sich ausdrücklich auf die Repression in der Westbank und in Gaza bezogen hatte. Man kann nur spekulieren, dass im Jahresbericht 2025 „Apartheid“- und „Genozid“-Vorwürfe nicht mehr als antisemitische Vorfälle auftauchen werden. Doch besser als die inkonsequente und stillschweigende Aufgabe unhaltbarer Positionen wäre es, die Kurzschlüsse der IHRA-Definition insgesamt aufzugeben bzw. sich für eine abwägende Diskussion verschiedener Definitionen zu öffnen und Transparenz für das Monitoring herzustellen. Auch könnte sich RIAS bei denen entschuldigen, die – vor allem Palästinenser und „linke“ Juden – grundlos als Antisemiten diffamiert wurden und werden.
Einige Tage vor der Präsentation des RIAS-Berichts veröffentlichte, wahrscheinlich nicht zufällig, die jüdische Organisation Diaspora Alliance einen Gegenbericht des israelischen Journalisten und Datenanalytikers Iltay Mashiach. Er ist die bisher einzige systematische Untersuchung und Kritik an RIAS als Institution sowie an seinen Berichten, umfasst allerdings nur die Jahre bis 2022, da er bereits im September 2023 fertiggestellt wurde. Das entsetzliche Massaker des 7. Oktober mit all seinen Folgen, von denen Iltay Mashiach auch persönlich betroffen war, hat eine Veröffentlichung zu einem früheren Zeitpunkt verunmöglicht. Dass der deutsche Diskurs es bisher nicht aus sich heraus fertiggebracht hat, RIAS zu kritisieren, sondern die Kritik wieder einmal Außenstehenden überlässt, mag auch dazu beigetragen haben, dass die Veröffentlichung so lange gedauert hat.
Der Gegenbericht teilt mit den RIAS-Berichten die Diagnose eines wachsenden, bedrohlichen Antisemitismus und unterstützt das Grundanliegen des Monitorings. Aber er bemängelt die Methoden von RIAS, insbesondere die Dekontextualisierung von „Vorfällen“, die Intransparenz der Datenerhebung und ein Antisemitismusverständnis, das er „eternalistisch“ nennt. Gemeint ist damit die essentialisierende und unhistorische Annahme, dass Antisemitismus überall und immer gleich – und potenziell auch gleich gefährlich – sei und Intention keine Rolle spiele. Als ein Beispiel dafür, welche absurden Ergebnisse dieses Vorgehen zeitigt, rekonstruierte Mashiach gleich in der Einleitung den von RIAS als antisemitisch eingestuften „Vorfall“ einer Rede des israelisch-jüdischen Historikers Moshe Zimmermann am Holocaust-Gedenktag 2020 vor dem Landtag von Sachsen-Anhalt:
„Vor den deutschen Landtagsabgeordneten sprach Zimmermann an diesem Tag über ‚den gewundenen Weg nach Auschwitz‘, der 200 Jahre vorher begonnen habe. Er wollte zeigen, dass uns gerade die frühen Anzeichen sich anbahnender Verbrechen Sorgen bereiten sollten, auch wenn sie für Zeitgenoss*innen oft nur schwer als solche zu erkennen sind, da sich die Gesellschaft nur langsam verändert, die Anzeichen sich erst über die Zeit verdichten. ‚Nie wieder Auschwitz? Zu banal, zu selbstverständlich‘, stellte er fest und lenkte stattdessen den Blick auf jene unscheinbaren Anfänge, die irgendwann vielleicht nach Auschwitz führen könnten. Diese Momente seien es, so der israelische Historiker, die die Warnung ‚nie wieder‘ verdienen würden. Zugleich betonte er, dass seine Rede, in der es ‚um das ubiquitäre menschliche Verhalten und um Universalgeschichte‘ ging, an die ganze Welt adressiert sei, und dass seine Schlussfolgerung ‚auch für Israelis [gelte], und nicht nur aus der Opferperspektive‘.” (S. 9)
Im RIAS-Bericht 2020 wurde diese Rede anonymisiert als Vorfall aufgenommen, weil sie eine Gleichsetzung „der israelischen Politik gegenüber den Palästinenser_innen mit der antisemitischen Politik des Nationalsozialismus“ nahegelegt habe. Dass diese Fehldeutung kein Ausrutscher war, bestätigte jüngst RIAS-Sprecher Daniel Poensgen in einem Interview in der taz: „Hier werden in einem deutschen Parlament ausschließlich Israelis als Gruppe erwähnt, die aufpassen müssen, die deutschen Verbrechen nicht zu wiederholen. Dabei haben wir den Kontext der Aussage [vor einem deutschen Parlament] ganz besonders gewichtet und diese Situation als Vorfall in die Statistik aufgenommen.“
RIAS behauptet, dass Zimmermann „ausschließlich Israelis“ erwähnt haben soll, obwohl dieser seine Rede explizit an die „ganze Welt“ adressierte und seine Schlussfolgerungen deshalb eben „auch für Israelis“ gelten ließ – und niemand stört sich daran. Der Funktionsmechanismus, der eine solche Missachtung von Evidenz möglich macht, ist der einer mit Staats- und Machtinteressen kompatibel gemachten Viktimisierung. RIAS will die „Perspektive von Juden” stärken, die per se als Opferperspektive gefasst wird. Die Perspektiven von Juden, die die Prämissen von RIAS nicht teilen – Moshe Zimmermann, die Diaspora Alliance, Iltay Mashiach und viele andere –, werden nicht nur ausgeblendet, sondern geraten unversehens auf die Täterseite. Moshe Zimmermanns Rede geriet zu einem „antisemitischen Vorfall“, weil ihre Universalisierung der Lehren von Auschwitz, vor einem deutschen Parlament, die „Perspektive von Juden“ als reiner Opferperspektive in Frage stellte. Mit diesem Verständnis können auch Nichtjuden, die diese Perspektive verteidigen, zu „Opfern“ von Antisemitismus werden. Dass Moshe Zimmermann als Universalist und im übrigen als Nachkomme von Holocaust-Überlebenden kein Antisemit ist, war für RIAS unerheblich: „(G)rundsätzlich spielt die Intention bei antisemitischen Aussagen für unsere Einschätzung keine große Rolle”, sagt Poensgen im Interview.
Aus dieser Perspektive findet auch das Missverhältnis eine Erklärung, demzufolge die Hochschulen laut RIAS ein Hort des Antisemitismus seien, mit überproportional vielen „antisemitischen Vorfällen“; obwohl doch eine Studie der Universität Konstanz vom April 2025 zu dem Ergebnis kam, dass „(a)ntisemitische Haltungen bei Studierenden weniger ausgeprägt (sind) als bei der Gesamtbevölkerung“. Während laut Konstanzer Studie zwanzig Prozent der Bevölkerung „allgemeinen Antisemitismus“ aufweisen, sind es unter Studierenden nur sechs Prozent. Der Anteil von nicht nur nach der IHRA-Definition bestimmtem „israelbezogenen Antisemitismus“ liegt in der Bevölkerung bei zehn Prozent, bei Studierenden bei sieben. RIAS kann es aber egal sein, ob die Studierenden tatsächlich Antisemiten sind oder nicht, nach welcher Definition auch immer. Es reicht, wenn in großer Zahl rote Dreiecke und Intifada-Sprüche gemeldet werden, die dann zusammen mit der schweren Körperverletzung von Lahav Shapira durch einen Kommilitonen zu einem mörderischen, für alle jüdischen Studierenden hochgefährlichen Szenario kombiniert werden.
Mashiach handelt alle methodischen Probleme der Arbeit des RIAS und ihre Folgen der Reihe nach ab: die Außerachtlassung von Intentionen und das „Ewigkeitsargument“; die von der Datenlage nicht gedeckte „Überbetonung israelbezogene(n) Antisemitismus in der Außenkommunikation”; den Bias bei der Interpretation israelbezogener Äußerungen oder Symbole; die dünnen und einseitigen Begründungen; die Dekontextualisierungen und die Intransparenz; die ungelöste Frage, wie die Deutungsmacht bei der „Entschlüsselung antisemitischer Codes“ eigentlich legitimiert und rechenschaftspflichtig gemacht werden kann; die Diskreditierung und Stigmatisierung palästinensischer Narrative und der Generalverdacht gegen sie; sowie, als Kehrseite davon, die Stärkung des nationalistischen israelischen Siedlernarrativs und die Verschleierung von politischen und propagandistischen Zielsetzungen, indem der Protest dagegen als antisemitisch gebrandmarkt wird; und schließlich die Beförderung eines antimuslimischen, antiarabischen, antipalästinensischen Rassismus.
RIAS hat den Gegenbericht der Diaspora Alliance bisher nicht inhaltlich kommentiert, sondern nur als grundlos böswilligen Versuch der Abwertung seiner Ergebnisse diffamiert. Er ist offenbar nicht in der Lage, auf die Kritikpunkte sachlich und inhaltlich einzugehen. Ja, er ist nicht einmal in der Lage, die kleinen Unsauberkeiten in dem Gegenbericht zu entdecken, die er ausbeuten könnte. An einer Stelle bezieht sich der Gegenbericht auf ein Vorwort des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, im Jahresbericht 2021 von RIAS Bayern, das angeblich antiarabische oder antimuslimische Aussagen enthalten habe. Die leicht verfälscht zitierte Aussage Schusters stammte jedoch aus einem Interview 2015.
Aber anstatt einem freiberuflichen israelischen Journalisten die kleinteilige Mühe und die Verantwortung dafür aufzubürden, sollten sich Forscher in Deutschland finden, um die Arbeit von RIAS kritisch zu hinterfragen und um dafür zu sorgen, dass endlich mit offenen, diskutierbaren Rassismus- und Antisemitismusdefinitionen eine tragfähige Datenlage geschaffen wird. Es muss Schluss sein mit einem Antisemitismusverständnis, das umstandslos und ohne Differenzierungsmöglichkeit Antizionismus unter Antisemitismus subsumiert und Kritik – auch Fundamentalkritik – an Israel als per se antisemitisch denunziert. Es muss vor allem auch Transparenz hergestellt werden, und Intransparenz darf sich nicht hinter angeblichem Opferschutz verstecken: 80 Prozent der vom RIAS 2024 erfassten „Vorfälle“ richteten sich nicht gegen Einzelpersonen; es gibt also keinen Grund, sie nicht zu veröffentlichen. Die Befürchtungen, dass Kritik an Israel, am Zentralrat, an RIAS oder am Antisemitismusbeauftragten Felix Klein den Schutz von Juden und Jüdinnen gefährdet, müssen anders beantwortet werden als mit autoritären, wirklichkeitsverzerrenden Setzungen. Denn während die Menschenrechtsverletzungen und schweren Kriegsverbrechen in Gaza und in der Westbank genozidale Züge annehmen, von Deutschland aber weiterhin mit Waffen und propagandistischer Rechtfertigung unterstützt werden, schießen auch antisemitische Verschwörungstheorien ins Kraut. Und diese werden durch die Arbeit des RIAS eher befördert als bekämpft.