Debatte will Wissen teilen – großzügig und kritisch, widerständig und differenziert. Sie speist sich aus Anregungen und Diskussionen aus dem Kontext der Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft (KriSol). Sie bietet drei Genres: Die Picks sind kurze, einführende und kommentierende Texte zu woanders erschienenen, oft internationalen, akademischen oder auch nicht akademischen, manchmal abseitigen, manchmal sehr zentralen Beiträgen, die wir verlinken und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollen. Mit den Drops verweisen wir auf Veröffentlichungen von KriSol-Mitgliedern. Außerdem schreiben wir selbst Posts, oder lassen sie schreiben: das sind längere Texte – Reflexionen, Berichte, Rezensionen, Briefe, Kurzreportagen, Kommentare, Interviews …
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Die Rache der serbischen Regierung an Studierenden und Professor:innen
In Serbien eskaliert seit einem halben Jahr der Konflikt zwischen den Universitäten und der Zivilgesellschaft auf der einen Seite, und der Regierung auf der anderen Seite. Adriana Zaharijević und Jana Krstić haben eine Chronologie der Ereignisse erstellt, vom Protest gegen die Korruption nach dem Einsturz des Bahnhofs in Novi Sad Ende 2024 bis zu den gegenwärtigen Rache- und Unterdrückungsplänen der Regierung gegen die Hochschulen.
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Vom Bystander zum Verbündeten
Agata Lisiak pickt hier das neueste Buch von Sarah Schulman, „The Fantasy and Necessity of Solidarity“ [Fantasiebild und Notwendigkeit von Solidarität]. Es konzipiert Solidarität neu, unter heutigen Bedingungen endemischer Ungleichheit, wo es nicht mehr reicht, Solidarität horizontal, nur unter Gleichen, zu praktizieren. Allianzen und Bündnisse müssen auch vertikal, auf anderen Machtebenen, gesucht und geschmiedet werden.
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Organisierte Verantwortungslosigkeit. Urteilen über Gaza im Licht von Auschwitz
Hannah Arendt beschrieb nach dem Holocaust die Verwischung von Verantwortung und die organisierte Komplizenschaft bei der Begehung von Menschheitsverbrechen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Sprache. Die funktionalisierte Sprache verschleiert die Realität und zerstört unsere Urteilsfähigkeit. Dieser Beitrag buchstabiert aus, wie die politischen Lehren Arendts in Bezug auf die deutsche Unterstützung der Verbrechen in Gaza verstanden werden sollten.
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Moralisches Versagen – Gaza, Wissen und Verantwortung
Didier Fassin schreibt in diesem kleinen Buch darüber, wie die Welt versagt hat, die Zerstörung Gazas zu beenden. Er versteht es als archivalischen Beitrag, damit irgendwann die Verzerrung der Werte, der Sprache und des Wissens über das, was vor unseren Augen geschieht, benannt werden kann, mit Wahrheit und Hoffnung. Es steht nichts drin, was wir nicht wissen. Genau deshalb führt uns das Buch den Abgrund des moralischen Versagens vor Augen.
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Stumpft die Fixierung auf den Genozidbegriff uns gegen neue Genozide ab?
Die 2023 auf deutsch erschienene Kurzfassung von Dirk Moses Werk „Problems of Genocide“ (2021) muss im Lichte der Vorgänge in Gaza gelesen werden und bietet eine Deutung an, die aus dem Dilemma herausführt, dass Genozide immer erst anerkannt werden, wenn es zu spät ist. Aber statt das Buch zu lesen, wird Dirk Moses in Deutschland wegen vermeintlicher Holocaustverharmlosung verleumdet.
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Falsche Signale: Staatsbesuch in Israel in Sichtweite des Genozids
In diesem kurzen und kurzfristig bei der taz untergebrachten Gastkommentar protestieren Krisol-Mitglieder gegen die Hofierung der israelischen Regierung durch die deutsche Regierung und prangern die komplette Realitätsverweigerung deutscher Israelpolitik an; nach einem Appell KriSols an den Bundespräsidenten, der ungehört verhallte.
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Stellungnahme aus der Friedens- und Konfliktforschung gegen Staatsräson und Selbstzensur
Claudia Brunner war eine der Initiator*innen dieser Stellungnahme gegen die Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit durch den Staatsräson-Diskurs, die am 20. März 2025 kontrovers, aber mit breiter Zustimmung auf einer Mitgliederversammlung der AFK, der Dachorganisation für Friedens- und Konfliktforscher*innen im deutschsprachigen Raum, diskutiert wurde.
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Zur Auseinandersetzung um das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas
In „Forum Wissenschaft“, der Quartalszeitschrift des Bunds demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, schildert Alexandra Senfft das Versagen der deutschen Erinnerungskultur gegenüber den Verbrechen an den Sinti und Roma. Wichtig wäre nun, dieses Versagen als Teil der Problematik dieser Erinnerungskultur insgesamt in den Blick zu nehmen.
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Peter Beinhart im Gespräch mit Karen Attiah über Jüdischsein
Der Journalist und Kolumnist Peter Beinhart ist in den USA allen, die sich für jüdisches Leben, Israel und den Genozid in Palästina interessieren, ein Begriff. Jüngst hat er ein sehr persönliches Buch veröffentlicht: „Being Jewish after the Destruction of Gaza. A Reckoning“.
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Folterstaat, Kleptokratie, Salafismus und die Krise der Darstellung
Schon Hannah Arendts Denken kreiste um das, was schlimmer ist als der Tod: die Folter. Der in Berlin im Exil lebende syrische Autor und Journalist Yassin Al-Haj Saleh beschreibt in seinem Buch „Darstellung des Schrecklichen. Versuch über das zerstörte Syrien“ das Foltersystem Assads und zieht Schlussfolgerungen, die auch nach dem Ende Assads und jenseits der Grenzen Syriens aktuell sind.
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Lebensbejahende Lehren aus Rosa Luxemburgs Herbarium
In diesem im Journal of Visual Culture veröffentlichten Artikel stellt Agata Lisiak eine Verbindung zwischen Rosa Luxemburgs Herbarium und zeitgenössischen Künstlerinnen her, die sich mit Pflanzen beschäftigen, um über die Beziehungsweisen von Befreiungskämpfen in verschiedenen geografischen und zeitlichen Kontexten nachzudenken.
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Erklärung des CCC-Redaktionskollektivs zum anhaltenden Völkermord in Gaza
Das Redaktionskollektiv der Zeitschrift Kommunikation, Kultur und Kritik (CCC) gab im Januar 2025 eine Erklärung ab, in der es „einen Waffenstillstand und die Abkehr von der israelischen Apartheid“ forderte. Aufgrund der zunehmenden Repressionen an US-amerikanischen Universitäten wurde die Erklärung von der Website der US-amerikanischen Universität entfernt, auf der sie ohne Paywall zugänglich sein sollte. Eine Website mit Open-Access-Versionen in verschiedenen Sprachen wird derzeit von kanadischen Mitgliedern des Kollektivs vorbereitet.
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Die BT-Resolution will Forschung und Lehre zensieren
Dörthe Engelcke schreibt für die taz, was für sie das Hauptproblem an der Bundestagsresolution zu „Antisemitismus und Israelfeindschaft an Schulen und Hochschulen“ ist: dass der Eindruck entsteht, dass Forschung und Lehre zu den andauernden israelischen Kriegsverbrechen gezielt unterdrückt werden sollen.
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Indien als Lehrstück
Britta Ohm beschreibt in einem Studienheft des Bunds demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) zur Wissenschaftsfreiheit und zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik, wie Hochschulen in Indien seit 2014 unter dem Vorwand, dass dort „anti-indische Propaganda“ betrieben würde, unter Beschuss sind und unterminiert werden. Von den Protesterfahrungen der indischen Studierenden können wir lernen.
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Wo ist unser Aufschrei?
Ein offener Brief unseres Redaktionsmitglieds an ihre Kolleg:innen: Die deutschen Völkerrechtler:innen dürfen nicht länger schweigen, wenn es im Zusammenhang mit Palästina um die zunehmenden Angriffe auf die Menschenrechte und das Völkerrecht in unserer unmittelbaren Umgebung geht, gerade auch innerhalb der Universität. Die Diffamierungen und die Ausladungen der UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage in den besetzten palästinensischen Gebieten – auch einer Völkerrechtskollegin! – durch Universitäten in diesen Tagen, auf politischen Druck hin, erfordern, dass wir unsere Alltagsroutinen unterbrechen. Dies ist eine Übersetzung der englischen Fassung des Briefs, die auf dem Verfassungsblog erscheint.
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Aufstieg und Kontinuitäten der Anti-Migrations-Linken
Vinit Ravishankar schreibt für The Left Berlin gegen die aktuelle Formierung einer Linken mit migrationskritischen bis -feindlichen Positionen an. Er verweist auf die lange Geschichte dieses vermeintlich neuen Trends und dekonstruiert die Argumente von Sarah Wagenknecht und Co.
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Neoliberale Neuauflage des Faschismus?
Inwieweit helfen die uns zur Verfügung stehenden Faschismustheorien, heutige Phänomene der Faschisierung zu verstehen? Bereits 2020 erschienen Zeynep Gambettis theoretische Erkundungen zu den Ursprüngen der gegenwärtigen faschistischen Tendenzen. Aber dem Fokus auf die Dynamiken des Neoliberalismus entgeht vielleicht einiges.
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Das deutsche Schweigen über die Proteste in Serbien
Snežana Stanković pickt hier einen Artikel im Guardian über die Studentenproteste in Serbien, die mit ihrem gewaltlosen Widerstand nicht nur die korrupte serbische Regierung, sondern auch die Interessen der westlichen Staaten und Deutschlands herausfordern.
Von KriSol ausgewählt und angeboten – Raum für Debatte
Das Redaktionskollektiv besteht zur Zeit aus Marion Detjen, Julia Eckert, Isabel Feichtner und Christian Strippel.