Autor: Marion Detjen

  • Antisemitismus-Training an US-amerikanischen Universitäten

    Hannah Feuer: Hundreds of Northwestern students can’t register for class because they won’t watch an antisemitism training video. Here’s what’s in it, in: Forward, 29. September 2025.

    Dass verpflichtende Antidiskriminierungstrainings an Schulen und Universitäten auch dazu genutzt werden können, Propaganda zu verbreiten und unliebsame Positionen zu unterdrücken, stand immer zu erwarten. Universitäten in den USA bedienen sich jetzt dieses Mittels, um Donald Trumps Executive Order „Zusätzliche Maßnahmen zur Antisemitismusbekämpfung” vom 29. Januar 2025 Folge zu leisten. An der renommierten Northwestern University in Chicago wurden jetzt rund 300 Studierende von der Kursanmeldung ausgeschlossen, weil sie sich weigerten, ein verpflichtendes “anti-bias” Video anzusehen, das – verleumderisch und falsch – Antizionismus als Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts des jüdischen Volkes definiert. Das Video beschreibt – wieder falsch – ein Groß-Israel als einzige historische Heimat des jüdischen Volkes und setzt – methodisch unhaltbar – willkürliche und nicht überprüfbare „Zitate“ von „anti-Israel Aktivisten“ mit Zitaten des Ku-Klux-Klan-Anführers David Duke gleich.

    https://forward.com/news/772504/northwestern-antisemitism-training-jewish-united-fund

  • Wie die Anerkennung Palästinas in Frankreich debattiert wird

    Wie die Anerkennung Palästinas in Frankreich debattiert wird

    Die Anerkennungswelle Palästinas durch westliche Staaten, bei der Deutschland nicht mitgemacht hat, verdankt sich der Initiative Frankreichs. Präsident Macron ist innenpolitisch isoliert, in vieler Hinsicht gescheitert und unbeliebt, aber seine Außenpolitik zeigt diplomatische Führungsstärke. Das hat auch dazu beigetragen, dass der Diskurs in Frankreich wieder einmal weiter und offener ist als der in Deutschland. Man kann in Frankreich bereits etwas kritisieren, das in Deutschland noch nicht erreicht ist. Eine Gruppe von Jurist:innen und Professor:innen, am prominentesten Rafaëlle Maison, Professorin für Internationales Recht an der Université Paris-Saclay, beschäftigt sich mit den potentiell negativen Folgen, die aus der rein symbolischen Anerkennung eines de facto nicht existierenden Staates – das Staatsterritorium ist von israelischen Siedlungen zerfressen, die Staatsgewalt ausgehöhlt, das Staatvolk einem Genozid ausgesetzt – drohen. Rafaëlle Maison hat am 11. September einen Artikel veröffentlicht, der die Fallstricke einer Anerkennung ausbuchstabiert, und am 13. September der Plattform Le Média ein Interview gegeben, um die „Schattenzonen“ von Macrons Plan auszuleuchten. Jede Anerkennungspolitik sollte daran gemessen werden, ob sie dem für das Internationale Recht fundamentalen Selbstbestimmungsrecht der Völker dient oder schadet.

    In dem Interview zitiert Maison aus dem Brief, den Macron am 25. August 2025 an Netanjahu geschrieben hat. Macron rechtfertigt darin seine Entscheidung: „Our determination to ensure that the Palestinian people have a State is rooted in our belief that a lasting peace is essential to the State of Israel’s security“. Das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser:innen findet in dem Brief keine Erwähnung. Das Pferd wird von hinten aufgezäumt: Die Rechte der Palästinenser:innen werden nur als eine Funktion der Sicherheit eines ethnisch-national definierten Israels verstanden; nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel. Mit diplomatischer Rücksichtnahme gegenüber Netanjahu alleine ist das nicht zu erklären. In seiner Rede vor der UN Generalversammlung am 22. September bekannte sich Macron zwar ausdrücklich, anders als in dem Brief, zu den „legitimen Rechte(n) des palästinensischen Volkes“, und sprach von dem „Volk, das in seiner Geschichte, seiner Verwurzelung und seiner Würde Kraft findet“. Und trotzdem führte er auch hier als Hauptgrund für die Anerkennung die französische Loyalität zu Israel an: „Gerade weil wir überzeugt davon sind, dass diese Anerkennung die einzige Lösung ist, die den Frieden für Israel ermöglichen kann.“

    Der Rede Macron lässt sich entnehmen, dass die Anerkennung dazu führen soll, dass der Völkermord aka Krieg beendet wird. Wenn aber die Rechte der Palästinenser:innen immer nur instrumentell gesehen werden, dann kann es auch keine dauerhafte Friedenssicherung geben. Maison entlarvt Macrons Anerkennung und sein Bekenntnis gegen Gewalt als Lippenbekenntnis. Die „Normalisierung“, die er sich für Israel wünscht, das weiterhin (zwingendes) Völkerrecht bricht, soll weiterhin, mit oder ohne palästinensischen Staat, gewaltvoll durchgesetzt werden. Das zeigt sich schon in der ersten Hälfte des Briefes, wo Macron sich lang und breit auf Frankreichs offizielle Annahme der IHRA-Definition von Antisemitismus beruft. Die Annahme der IHRA-Definition, „which condemns anti-Zionism as a form of antisemitism”, war 2017 eine seiner ersten Amtshandlungen und bildet die Grundlage für seine Anerkennungspolitik. Die von Macron in die IHRA-Definition hineininterpretierte umstandslose Gleichsetzung jeder auch noch so legitimen Gegnerschaft gegen einen exkludierenden und ethnisch definierten Staat mit der Feindschaft gegen Juden als Juden muss alle von Israel ausgebürgerten und enteigneten Palästinenser:innen, die selbstverständlich ein Problem mit dieser Staatlichkeit haben, quasi automatisch zu Judenfeinden erklären (– ganz abgesehen davon, dass diese Gleichsetzung selbst antisemitisch ist). Macrons Brief an Netanjahu zeigt: Die gewaltvolle Instrumentalisierung der Antisemitismusbekämpfung und die pauschale Diffamierung und Ausgrenzung von Palästinenser:innen als Antisemiten ist weit mehr als nur Begleiterscheinung oder Kollateralschaden der derzeitigen Anerkennungspolitik; sie ist dieser inhärent.

    Rafaëlle Maison interessiert die Anerkennung aber vor allem aus völkerrechtlicher Perspektive. Sie analysiert die von Frankreich und Saudi Arabien initiierte und auch von Deutschland unterzeichnete „Erklärung von New York“ vom 29. Juli, sowie den am selben Tag von den Außenministern von 15 westlichen Staaten (Deutschland war nicht darunter) getragenen „New York Call“ als Reaktion und eine Art Ablenkungsmanöver, um von dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs „zu den rechtlichen Folgen von Israels Besatzungspolitik“ abzulenken. Der IGH hatte genau ein Jahr zuvor geurteilt, dass die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete illegal ist, Israel aus den Gebieten abziehen und Reparationen leisten muss. Die UN-Generalversammlung hatte daraufhin am 18. September 2024 mit großer Mehrheit (und Enthaltung Deutschlands) die Resolution ES-10/24 angenommen, die ein Stopp von Waffenlieferungen vorschreibt, wenn diese in den besetzten Gebieten eingesetzt werden, und zum Boykott von Waren aus israelischen Siedlungen auffordert. Statt dem IGH-Gutachten zu folgen (das alle, auch das Auswärtige Amt, zu respektieren vorgeben), beriefen Frankreich und Saudi Arabien für den Juli 2025 die UN-Konferenz zu der Anerkennungsfrage ein.

    Rafaëlle Maison sieht die Ergebnisse „potentially in violation of international law as outlined by the ICJ in 2024”. Der palästinensische Staat, der unter gegebenen Verhältnissen sowieso etwas Fiktives hat, solle auch in der unwahrscheinlichen Zukunft, dass es ihn wirklich geben darf, nur unter Bedingungen existieren: unter den Bedingungen der Abgabe der Waffen der Hamas an die von Israel kontrollierte Palestinian Authority, was de facto eine Demilitarisierung bedeute (Para. 11 der Erklärung), des Respekts der sich zur Wahl stellenden Akteure für die „internationalen Verpflichtungen“ der PLO (Para. 22), des Ausschlusses der Hamas sowie der Verfolgung einer liberalen Reform-Agenda. Zur letzteren schreibt Maison: „These recipes sound a lot like a free-market programme, compromising the sovereign choices oft he State-to-be and requiring – incongruously in appearance, but in reality quite significantly – a control over freedom of expression.“ Dem völkerrechtlich garantierten Rückkehrrecht werde ein Lippenbekenntnis gezollt, tatsächlich werde eine „just solution“ für das Flüchtlingsproblem durch ein  „regional and international framework“ in Aussicht gestellt (Para. 39). Und der zukünftige Staat werde an Sicherheitsarrangements arbeiten müssen, die „beneficial to all parties“ seien (Para. 20) – was unter den gegebenen Machtverhältnissen nur bedeuten könne, dass Israel sich wieder polizeiliche und militärische Macht und Gewalt in dem schwachen Staatsgebilde anmaßen werde. Herauskommen könne dabei nur ein Staat ohne Souveränität, eine „entity under control“.

    Insbesondere der „New York Call“ mache deutlich, worum es eigentlich gehe: darum, die Beziehungen aller Staaten mit Israel trotz der weiter laufenden Verbrechen zu normalisieren – und eben nicht, wie es der IGH eigentlich vorschreibt, diesen Verbrechen endlich mit Konsequenzen zu begegnen. So werde die unter Bedingungen gesetzte Anerkennung, während der Genozid weitergeht, „indeed the latest stage in the ‚war against Palestine‘, as chronicled by historian Rashid Khalidi.“

    Tatsächlich wird die Lage nicht befriedet werden, welche „Lösung“ auch immer die internationale Staatengemeinschaft finden wird, um Israel die „roten Linien“ aufzuzeigen, damit es die Annexionspläne aufgibt und den Völkermord endlich beendet; erst recht nicht unter einem Übergangs-Gouverneur Tony Blair in Gaza. Trotzdem haben sich in Frankreich in den letzten Tagen auch Stimmen zu Wort gemeldet, die dafür plädieren, nicht bei der verzweifelten Analyse Rafaëlle Maisons stehenzubleiben, sondern das Beste aus der neuen Situation zu machen. Der laufende Genozid, das tägliche massenhafte Sterben, Töten und Morden, muss unbedingt sofort aufhören, und die Anerkennung erleichtert die Bereitschaft zu Interventionen. Ilyes Ramdani hält auf Médiapart der französischen Initiative zugute, dass immerhin ein enormer Druck auf die USA entstanden sei; die „Riviera“-Pläne scheinen endgültig begraben.

    Am 24. September hat Ardi Imseis, Professor für Internationales Recht an der Queen’s University in Kanada, auf Initiative der Juristin und Mitglied der französischen Nationalversammlung Gabrielle Cathala, vor französischen Abgeordneten gesprochen und einen Tag später an der Sorbonne einen Vortrag gehalten. Er vertritt eine „realistische“, „pessoptimistische“ Haltung, die darauf beharrt, dass sowohl die rechtliche Tatsache der Anerkennung als auch Tatsache der weiter bestehenden rechtlichen Verpflichtungen, die das IGH-Gutachten feststellt, für Forderungen an die Regierungen benutzt werden können. Es sei nun mal bittere Realität, dass das Überleben und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volks fast allen Staaten der Welt egal ist. Die Palästinenser:innen hätten selbst keine Ressourcen, sich gegen die Besatzung zu verteidigen. Aber gerade was die Staatlichkeit anbelangt, sieht Imseis das Glas halbvoll, wo andere es halbleer sehen. Fast unabhängig von der Situation auf dem Boden habe das Völkerrecht über die Jahre und Jahrzehnte ebenfalls eine eigene Realität geschaffen. „It is clear that today, the State of Palestine already exists as a matter of both State practice and law, with or without recognition by France and other western States.” Palästina war bereits vor Frankreichs Initiative von 160 Staaten anerkannt, wurde 2011 als vollgültiges Mitglied in die UNESCO aufgenommen, und kann Vertragspartner multilateraler Verträge sein. Gerade weil das Knüpfen von Bedingungen an die Anerkennung mit dem Völkerrecht in Konflikt stehe, könne man die Bedingungen bekämpfen. Mit der Anerkennung würde es leichter, die Staaten unter Druck zu setzen, ihr Verhältnis zu Israel zu korrigieren und auf die Besatzung, die Apartheid, die Kriegsverbrechen mit Sanktionen zu reagieren. Imsais kommt somit bei seiner Analyse der Erklärung von New York zu einem ganz anderen Schluss als Maison: Die anerkennenden westlichen Regierungen wüssten durchaus, dass Staaten souverän seien und es nicht gehe, einer Staatlichkeit Bedingungen aufzuerlegen; dementsprechend weich und letzten Endes unverbindlich seien sie formuliert. „Souvereignty is a curious thing. But as France so intimately knows (…), States have the perfect right to do whatever is not prohibited by international law.”

    Maison hatte ihren Text mit der Befürchtung geschlossen, dass die Regierungen die UN Generalversammlung unter dem Vorwand der Anerkennung eines palästinensischen „Pseudo-Staates“ durch Missachtung des IGH-Gutachtens für eine weitere Aushöhlung des Völkerrechts benutzten, ja dass hier das Völkerrecht insgesamt zu Grabe getragen werde. Imrais’ Realismus hingegen sieht „the contingency and disenfranchisement of the Palestinian Arabs“ im UN-Recht selbst verankert, zusammen mit dem „so-called two state framework“ des Teilungsplans von 1947. Mangels anderer Ressourcen könnten und müssten die Palästinenser:innen nun eben mit diesem Recht arbeiten.

    Am Montag (29. September 2025) werden Ardi Imseis und Rafaëlle Maison im Amphitheater Jean Jaurès in Paris miteinander sprechen. In Deutschland sollte man genau zuhören. Zwar hat sich auch in Deutschland der Diskurs verschoben, die Bundesregierung ist von der Netanjahu-Regierung deutlich abgerückt, man darf jetzt sogar „Genozid“ sagen, ohne als Antisemit verleumdet zu werden. Aber die, sorry, totalitäre Staatsräson und die medialen Windmühlenkämpfe in ihrem Schatten verdecken immer noch die eigentlichen Konfliktlinien. Das fruchtlose Pro und Contra deutscher Provenienz dreht sich im Grunde nur darum, ob man Israel gewähren lassen oder Israel zu seinem Glück zwingen müsse; ob das Scheitern von Oslo Israel eine Carte Blanche gibt oder ob Israel wieder auf den Weg von Oslo hin zu einem „friedlichen Zusammenleben“ gebracht werden müsse. Und ob Deutschland sich international isoliert oder ob die Welt Deutschlands Sonderweg „versteht“. Was immer noch kaum diskutierbar ist: die Anerkennungsfrage im Lichte des Scheiterns von Oslo, aus der Perspektive dessen, was rechtens und gerecht ist. Oslo war im Rückblick wohl ein schwerer Fehler – eine Appeasement-Politik, die alle wichtigen Fragen ausklammerte, sich vor völkerrechtlichen Verpflichtungen drückte und langfristig die Gewichte immer mehr zulasten der Palästinenser:innen verschob. Das betrifft die Siedlungen, das betrifft die Apartheid, das betrifft das Recht der vertriebenen Palästinenser:innen auf Rückkehr und auf Kompensation für den entwendeten Besitz.

    Deutschland hat sich nun gegen eine Anerkennung Palästinas entschieden und wird, wie immer, seinen Mangel an Verantwortungswillen mit Geldzahlungen zu kompensieren versuchen. Es zahlt aber auch noch einen anderen Preis: den der Ignoranz, im Arendtschen Sinne. Am Ende könnte sogar die These stehen, dass vielleicht tatsächlich das Völkerrecht selbst, durch den Teilungsplan, einen haltbaren Frieden unmöglich macht. Aber auch diese Diskussion wird sicherlich in Frankreich eher als in Deutschland stattfinden.

  • Verweigerung der Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen 

    Verweigerung der Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen 

    Erklärung „Verweigerung aus Gewissensgründen. Für Menschenrechte und die Einhaltung des internationalen Rechts“, https://uppsaladeclaration.se/germany/.

    Während das systematische und gezielte Aushungern der Bevölkerung in Gaza den Genozid an den Palästinenser:innen, mit westlicher und gerade auch deutscher Unterstützung, für immer mehr Menschen zu einer unleugbaren Tatsache macht, ist die Frage eines Boykotts Israels gerade in Deutschland immer noch tabuisiert. Die sogenannte BDS-Bewegung, begründet u.a. von der „Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel“ (PACBI), wurde 2004 als Antwort auf das Scheitern von Oslo und die Frage nach verbleibenden gewaltlosen Handlungsoptionen gegen Besetzung und Entrechtung ins Leben gerufen. Sie gilt in Deutschland pauschal als antisemitisch und wird vom Verfassungsschutz in Teilen als „extremistischer Verdachtsfall“ beobachtet. Aber jetzt kommt selbst die Bundesregierung nicht mehr drum herum, sich mit Sanktionen und der Aussetzung der Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen zu beschäftigen. Immer mehr internationale Wissenschaftler:innen setzen zudem ihre Unterschriften unter Briefe, die ihre Regierungen und ihre Arbeitgeber dazu auffordern, die Konsequenzen der Situation in Gaza für die wissenschaftliche Arbeit nicht mehr zu ignorieren – prominent auch der Brief von inzwischen über 1000 Physiker:innen und Naturwissenschaftler:innen an die Leitung der CERN.

    Im Frühsommer haben Wissenschaftler:innen in und aus Schweden die sogenannte Uppsala-Erklärung veröffentlicht, in der sie sich aus Gewissensgründen dazu verpflichten, nicht mehr mit solchen israelischen Institutionen zusammenzuarbeiten, die sich zu Komplizen der illegalen Besetzung, der Apartheid, des Genozids und anderer Völkerrechtsverbrechen gemacht haben. Diese Erklärung hat inzwischen weit über 2.000 Unterschriften.

    Die deutsche Version wurde nun auf derselben Website veröffentlicht und ist mit der schwedischen in Form identisch und vielen Formulierungen sehr ähnlich. Sie begründet die Entscheidung zum wissenschaftlichen Boykott israelischer Institutionen ebenfalls sehr ausführlich mit der überwältigenden Empirie, die die Verwicklung der israelischen Universitäten in die Verbrechen belegt, und formuliert die gleichen Grundsätze:

    „1. Wir werden keine Kooperationen mit dem Staat Israel oder mit seinen mitverantwortlichen Institutionen unterstützen.

    2. Wir werden keinen institutionalisierten Austausch mit israelischen Institutionen, die mitverantwortlich sind, fördern oder öffentlich mittragen.

    3. Wir werden uns nicht an Aktivitäten beteiligen, die vom Staat Israel oder seinen mitverantwortlichen Institutionen organisiert und/oder (mit-)veranstaltet werden.“

    Darüber hinaus geht sie auch auf die deutsche Situation ein, nennt Beispiele, wie an deutschen Universitäten die Verpflichtung zur Einhaltung des Völkerrechts missachtet wird, welche institutionellen Verbindungen es gibt, und wie die bestehende Zusammenarbeit sogar noch ausgebaut werden soll. Sie stellt am Ende ausdrücklich klar: „Wir rufen explizit nicht dazu auf, die Beziehungen zu einzelnen israelischen Wissenschaftler*innen abzubrechen. Vielmehr lehnen wir die Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen, die an illegaler Besatzung, Apartheid, Völkermord und anderen Verstößen gegen das Völkerrecht beteiligt sind, aus Gewissensgründen entschieden ab.“

    Ich habe selbst eine Zeit lang gezögert, die Erklärung zu unterschreiben: zum einen, weil ich auch mit nicht-israelischen Institutionen, die an Völkerrechtsverbrechen beteiligt sind, keine Kooperation eingehen möchte und mir lieber eine grundsätzliche Forderung nach universitären Menschenrechtsselbstverpflichtungen zu eigen machen würde. So wie die Human Rights Policy der Universität Gent in den Niederlanden: „In a nutshell: Ghent University does not cooperate with organisations involved in serious or systematic human rights violations, nor does it want projects to lead directly or indirectly to human rights violations.” Zum anderen kann ich mir ethische Zwickmühlen vorstellen, in denen man nicht darum herumkommt, auch unerwünschte Kooperationen einzugehen. Jetzt geht es mir aber vor allem darum, auf deutsche Institutionen, die deutsche Regierung und die deutsche Öffentlichkeit Druck auszuüben, jede militärische und polizeiliche Zusammenarbeit mit einem von Rechtsradikalen geführten Staat sofort einzustellen, und palästinensische Leben und das Leben der Geiseln zu retten. Deshalb unterschreibe ich.

    https://uppsaladeclaration.se/germany/.

    Hier noch ein Netzfund von der Website der Bar-Ilan University:

    blibli
    screenshot of Bar-Ilan University’s website, https://www.biu.ac.il/en/article/583601
  • Eine unsichtbare Universität für die Ukraine und den Rest der Welt

    Ostap Sereda, Balázs Trencsényi, Tetiana Zemliakova, Guillaume Lancereau (Hg.): Invisible University for Ukraine. Essays on Democracy at War, Ithaka/London (Cornell University Press) 2024.

    Es ist ein globales Phänomen: Universitäten weltweit sind massiv unter Druck – durch Definanzierung, Unterwerfung unter Marktlogiken, Streichung ganzer Fachbereiche, politische Interventionen und Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit der Lehre, bis hin zur gezielten, physischen Zerstörung von Universitätsgebäuden und Tötung von Wissenschaftler:innen und zum „Scholastizid“, wenn damit ein ganzes Volk getroffen werden soll. Die Invisible University for Ukraine (IUFU) bietet seit 2022 Onlinekurse für ukrainische Studierende an, um mit ihnen die Kriegserfahrung und die genozidale Bedrohung durch die russische Aggression mit innovativen akademischen Mitteln durchzuarbeiten; fast 1000 Studierende haben bisher davon profitiert. Die vor einem knappen Jahr erschienene Essaysammlung „Invisible University for Ukraine. Essays on Democracy at War“ zeigt mit sehr bewegenden, persönlich gehaltenen Beiträgen von Studierenden und Professor:innen, auf höchstem Reflexionsniveau, im ukrainischen Kontext, was man sich auch in jedem anderen Kontext wünscht: eine neue, ehrliche, vorbehaltlose Weise der universitären Wissensgenerierung.

    „The need for uncommon institutional responses to the autocratic pressure on higher education has been a recurrent topic of discussion since the late 2000s”, schreiben Ostap Sereda und Balázs Trencsényi in der Einleitung; das „westliche“ Modell der universitären Bildung habe in Osteuropa schon damals an Glaubwürdigkeit verloren: „The Invisible University was also a response to this crisis of academia, experimenting, under the pressure of an unprecedented situation of mass dislocation of students and scholars, to relink the educational, research, and civic components in unconventional and innovative ways.” Die Invisible University sieht sich nicht als Solitär, sondern in einem zeit- und ortübergreifenden, ebenfalls unsichtbaren Netz verbunden mit anderen und ähnlichen Initiativen im 20. und 21. Jahrhundert, in einer Geschichte, die in der Einleitung kurz und eindrucksvoll nachgezeichnet wird.

    Diese Initiativen haben und hatten immer ein paar Dinge gemeinsam: die transnationale, globale Perspektive, die sich mit globalen und regionalen Perspektiven verbindet und den nationalen Rahmen überwindet; einen radikaldemokratischen Ansatz, der Dialog will und keine Hierarchien; und die Verbindung der akademischen mit der existentiellen Dimension. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist für die Invisible University for Ukraine der drängende Anlass und setzt sie gleichzeitig unter Spannung: Sie arbeitet zwar gegen den Eurozentrismus an und bedient sich postkolonialer Werkzeuge, sieht sich aber in einem Kampf, in dem es neben dem Überleben auch um das Insistieren auf gemeinsamen „europäischen“ Werten geht. Sie muss aushalten, dass ihr ziviles Engagement in Konflikt mit den Überlebenszwängen des Krieges geraten kann, wenn es gegenüber der eigenen Regierung kritisch wird. Und sie hat das (gelöste) Dilemma, wie sie mit russischen Kolleg:innen umgehen soll, wenn die Arbeit an einem nicht-russozentrischen Verständnis des postsowjetischen Raums ihr Hauptziel ist und russische Staatsinstitutionen konsequent boykottiert werden.

    Die einzelnen Beiträge sind sehr persönlich geschrieben, sie zeigen, wie das Akademische und das Existentielle integriert werden können, und vermitteln ganz unterschiedliche, sich ergänzende Lehren aus dem Krieg. Es sind vor allem die sich durch den Krieg dramatisch ändernden Zeitbegriffe – die andere Temporalität –, die sich tiefgreifend auf das Wissen auswirken. Die Beiträge buchstabieren aus, was das konkret heißt: im täglichen Überlebenskampf mit der „sobering absurdity of death“ (Denys Tereshchenko), wo Opfer verlangt werden, die man bringt oder nicht bringt; im Umgang mit der medialen Seite des Kriegs, dem „digital witnessing“ gegenüber einer volatilen Weltöffentlichkeit, und der Ignoranz auch gutgemeinter Reaktionen; aber vor allem im Neujustieren des Verhältnisses von Teilnehmen und Beobachten in der Forschung und Lehre. Nur im ehrlichen Dialog kann mit neuen Ideen eine offene Zukunft denkbar bleiben – „my war is about creating spaces of dialogue” (Balázs Trencsényi). Das Gefühl eines „professional failure“, des „should have known“ (Diána Vonnák), “wading through unmetabolized experience and a cacophony of guesswork, motivated speech, misinformation, and rudimentary analysis”, wird als eine epistemologische Herausforderung fruchtbar gemacht: “We could call it a fog of war in the epistemic sense, but if we flip this around, this fog is ever-present, the stuff of fieldwork, and navigating it is a predicament of any contemporaneous empirical research.”

    Der Sammelband endet mit einer Übersicht all der Kurse, die die IUFU seit 2022 unterrichtet hat, und den sehr anrührenden und auch lustigen Kurzbiographien der Beiträger:innen im Zeichen des Krieges. Tetiana Zemliakova, zum Beispiel, die sich außer für die IUFU nur noch für die Ontologie der Zeit interessiert:  „She always knew she was living through the last days of historical humankind, but she could never guess these would be so stupid.”

    https://d119vjm4apzmdm.cloudfront.net/open-access/pdfs/9781501782886.pdf

  • Die RIAS-Berichte zu antisemitischen Vorfällen unter der Lupe

    Die RIAS-Berichte zu antisemitischen Vorfällen unter der Lupe

    Jewish Voices for Peace

    Am 4. Juni 2025 hat der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) seinen Jahresbericht 2024 in der Bundespressekonferenz vorgestellt. RIAS ist eine Organisation, die in Deutschland ein kontinuierliches Monitoring antisemitischer Vorfälle durchführt, auf dessen Grundlage staatliche Stellen und die Politik Maßnahmen zur Antisemitismus-Bekämpfung ergreifen. Entstanden ist sie aus den „antisemitismuskritischen“ Kontexten einer stark opferzentrierten Rassismusbekämpfung der 2000er Jahre, als sich die Amadeu Antonio Stiftung und andere antideutsche Player von machtkritischen Analysen verabschiedeten, den Versuchungen der Staatsnähe erlagen und begannen, sich an der staatlichen Instrumentalisierung des Opferbegriffs zu beteiligen.

    Laut Bericht und Statistik des RIAS 2024 sind die Zahlen antisemitischer Vorfälle in Deutschland dramatisch angestiegen, wie auch schon in den Vorjahren. Es dürfte wohl niemand bezweifeln, dass der Antisemitismus, auch im engsten Verständnis – als Feindschaft gegen Juden, weil sie Juden sind – zugenommen hat und weiter zunimmt. Nichts wäre nötiger als eine sorgfältige Statistik, eine zuverlässige Datenbasis und ein entsprechendes Monitoring, um besser zu verstehen, welche Formen, Gründe, Ausmaße und Orte der heutige Antisemitismus hat, in welchem politischen Lager auch immer, und um ihn wirksamer zu bekämpfen.

    RIAS arbeitet jedoch mit Prämissen und unter Voraussetzungen, die mit guter wissenschaftlicher Praxis in Konflikt stehen – und daran ändert auch nichts, wenn der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz das nicht erkennt. Der Verband bedient sich einer Antisemitismus-Definition – der IHRA-Arbeitsdefinition –, die schon seit Jahren rechtlich und wissenschaftlich zumindest umstritten ist, wenn nicht sogar als untauglich abgelehnt wird, weil sie Dinge vermischt, wo man differenzieren müsste. Statt in dubio pro reo gilt für den RIAS beim „israelbezogenen Antisemitismus” der Grundsatz, dass dessen Feststellung auch bei Zweifel gerechtfertigt ist – im angeblichen Interesse seiner tatsächlichen, vermeintlichen oder potentiellen Opfer. Er setzt jede Form von Antizionismus nahezu umstandslos mit Antisemitismus gleich, enthistorisiert und essentialisiert ihn und legt deutungsoffene und diskussionsbedürftige Aussagen auf zum Teil abenteuerliche Lesarten fest. Und er reflektiert nicht, dass er mit der Entscheidung darüber, wer oder was antisemitisch ist, Macht ausübt und Lebensläufe zerstören kann, ohne dass er die Möglichkeit einer Berufung einräumt.

    Ich zitiere hier aus dem Jahresbericht 2024 nur zwei Passagen, die aus meiner Sicht zeigen, wie unverantwortlich RIAS mit dieser Macht umgeht und wie wenig er sich um Empirie und Genauigkeit schert:

    „Knapp 7% aller [antisemitischer] Versammlungen ordnete RIAS einem links-antiimperialistischen Hintergrund zu. Anlässlich des sogenannten Nakba-Tages – eines palästinensischen und islamistischen Kampagnentages gegen die israelische Staatsgründung – veranstaltete im Mai in Erfurt die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) eine Versammlung. In einem Redebeitrag hieß es: ‚Israel ist nicht mehr das Land der verfolgten Juden, sondern eine Großmacht […]. Israel ist zum Täter geworden.‘ Im Sinne einer antisemitischen Täter-Opfer-Umkehr wird hier Jüdinnen_Juden abgesprochen, noch Opfer der Schoa zu sein, und stattdessen eine vergleichbare Täterschaft behauptet. Mit Bezug auf den Vorwurf, Israel begehe einen Genozid, wurde die Schoa relativiert: ‚Wenn man die Definition des Völkermordes so eng nimmt, dass das gesamte Volk vernichtet wird, dann gab es auch keinen Völkermord gegen die Juden.‘ RIAS nimmt Genozid-Vorwürfe gegen Israel als antisemitische Vorfälle gemäß der IHRA-Arbeitsdefinition auf, wenn sie das jüdische Recht auf Selbstbestimmung abstreiten, wenn sie Symbole oder Bilder verwenden, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen, oder wenn sie einen Vergleich der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten darstellen.“ (S. 23)

    Die Selbstwidersprüche und Tatsachenverdrehungen liegen auf der Hand: 1) Der Nakba-Tag mag in manchen Kontexten missbraucht werden, doch die Nakba – die Vertreibung und Flucht von über 700.000 arabischen Palästinenser:innen im Zuge der Staatsgründung Israels und des Palästinakrieges (1947–1949) – ist passiert, und daran darf und soll erinnert werden. 2) Dass Israel als Staat, und nicht nur mit seiner gegenwärtigen Regierung, eine Großmacht ist und seit 1967 mit einer völkerrechtswidrigen Besatzung auch „Täter“, ist eine Tatsache. 3) Der inkriminierte Satz relativiert die Schoah nicht, sondern sagt ja gerade, dass es sich dabei um einen Völkermord handelte. Er schließt auch nicht aus, dass sie mehr war als ein Völkermord, dass sie sogar singulär war. 4) Man mag die Äußerungen nicht besonders feinfühlig finden, doch streiten sie weder ein jüdisches Recht auf Selbstbestimmung ab, noch verwenden sie traditionell antisemitische Symbole oder Bilder, noch vergleichen sie die israelische Politik mit dem Nationalsozialismus.

    Ein zweites Beispiel: „Dem skizzierten Zuwachs antisemitischer Vorfälle in explizit politischen Kontexten im Jahr 2024 droht die Politik derweil mit einer zunehmenden Gewöhnung an antisemitische Vorfälle und mit deren Normalisierung zu begegnen. So dauerte es über ein Jahr, bis der Bundestag eine Antisemitismus-Resolution verabschiedete, der sich nicht alle demokratischen Fraktionen und Gruppen anschlossen.” (S. 6)

    Zum einen hatte die Kritik an der Antisemitismus-Resolution des Bundestages wohlüberlegte, gute, inhaltliche Gründe, die von RIAS unterschlagen werden. Es gab eine von Wissenschaftler:innen erarbeitete Alternativ-Resolution, die nicht zur Abstimmung zugelassen wurde und die einige Abgeordnete, die sich dann in der Abstimmung enthielten, gerne unterstützt hätten. Zum anderen deutet die Tatsache, dass der – leider – mit überwältigender Mehrheit verabschiedeten Bundestagsresolution nur zwei Handvoll Enthaltungen zu den hundert Prozent fehlten, vor allem auf eine Normalisierung eines autoritären Diskurses und Gewöhnung an autoritäre Politik hin. 100-Prozent-Zustimmungen waren vielleicht in der DDR die Regel, sollten aber von keinem freien Parlament erwartet werden.

    Es drängt sich der Eindruck auf, dass solche Passagen in den RIAS Berichten mit intellektueller Schwäche und institutioneller Verantwortungslosigkeit alleine nicht zu erklären sind. Vielmehr wird ein Strohmann aufgebaut. Der „israelbezogene Antisemitismus“, dem RIAS den Kampf angesagt hat, ist in weiten Teilen eine Unterstellung und in erster Linie dazu geeignet, die wachsenden Proteste gegen das israelische Vorgehen in Gaza und der Westbank zu stigmatisieren und um autoritäre Politiken in Deutschland zu rechtfertigen. Der Strohmann funktioniert umso besser, als es durchaus auch einen echten israelbezogenen Antisemitismus gibt.

    Deshalb muss auf Differenzierung bestanden werden: Es ist nicht antisemitisch, die problematische Genese des Staates Israels – und damit auch die Probleme seiner „Existenz“ – zu adressieren; vielmehr lassen sich die Verbrechen der amtierenden rechtsradikalen Regierung in Israel ohne Kenntnis der Genese nicht verstehen. Sehr wohl antisemitisch ist es hingegen, diese problematische Genese auf die „anderen“ – seien es Israelis oder gar Juden und Jüdinnen – abzuwälzen. Stattdessen muss sie als Problem unserer Staatenwelt insgesamt – und vor allem auch Deutschlands – anerkannt werden. Ebenso ist es antisemitisch, Juden und Jüdinnen auf einen exklusiven und ausgreifenden, ethnisch-religiös definierten Staat zu reduzieren; genau dies aber legt der RIAS-Bericht nahe.

    Immerhin scheint sich RIAS den Diskursveränderungen und dem Stimmungswandel, der inzwischen sogar in der Bundesregierung zu beobachten ist, angesichts der Ereignisse in Gaza und der Westbank, ebenfalls in winzigen Schritten anzupassen. In der Pressekonferenz am 4. Juni rückte RIAS davon ab, es umstandslos als antisemitisch zu klassifizieren, wenn die Besatzungsherrschaft Israels als „Apartheid“ oder die israelische Kriegsführung in Gaza als „Genozid“ bezeichnet werden. Nun solle doch der Kontext bestimmend sein. Der Bericht 2024 allerdings zeigt, dass das Sprechen über „israelische Apartheid“ durchaus auch ohne Kontext in die Statistik eingegangen ist. Der Slogan „Kein Pride der Apartheid” wurde als antisemitischer Vorfall gezählt, obwohl er sich ausdrücklich auf die Repression in der Westbank und in Gaza bezogen hatte. Man kann nur spekulieren, dass im Jahresbericht 2025 „Apartheid“- und „Genozid“-Vorwürfe nicht mehr als antisemitische Vorfälle auftauchen werden. Doch besser als die inkonsequente und stillschweigende Aufgabe unhaltbarer Positionen wäre es, die Kurzschlüsse der IHRA-Definition insgesamt aufzugeben bzw. sich für eine abwägende Diskussion verschiedener Definitionen zu öffnen und Transparenz für das Monitoring herzustellen. Auch könnte sich RIAS bei denen entschuldigen, die – vor allem Palästinenser und „linke“ Juden – grundlos als Antisemiten diffamiert wurden und werden.

    Einige Tage vor der Präsentation des RIAS-Berichts veröffentlichte, wahrscheinlich nicht zufällig, die jüdische Organisation Diaspora Alliance einen Gegenbericht des israelischen Journalisten und Datenanalytikers Iltay Mashiach. Er ist die bisher einzige systematische Untersuchung und Kritik an RIAS als Institution sowie an seinen Berichten, umfasst allerdings nur die Jahre bis 2022, da er bereits im September 2023 fertiggestellt wurde. Das entsetzliche Massaker des 7. Oktober mit all seinen Folgen, von denen Iltay Mashiach auch persönlich betroffen war, hat eine Veröffentlichung zu einem früheren Zeitpunkt verunmöglicht. Dass der deutsche Diskurs es bisher nicht aus sich heraus fertiggebracht hat, RIAS zu kritisieren, sondern die Kritik wieder einmal Außenstehenden überlässt, mag auch dazu beigetragen haben, dass die Veröffentlichung so lange gedauert hat.

    Der Gegenbericht teilt mit den RIAS-Berichten die Diagnose eines wachsenden, bedrohlichen Antisemitismus und unterstützt das Grundanliegen des Monitorings. Aber er bemängelt die Methoden von RIAS, insbesondere die Dekontextualisierung von „Vorfällen“, die Intransparenz der Datenerhebung und ein Antisemitismusverständnis, das er „eternalistisch“ nennt. Gemeint ist damit die essentialisierende und unhistorische Annahme, dass Antisemitismus überall und immer gleich – und potenziell auch gleich gefährlich – sei und Intention keine Rolle spiele. Als ein Beispiel dafür, welche absurden Ergebnisse dieses Vorgehen zeitigt, rekonstruierte Mashiach gleich in der Einleitung den von RIAS als antisemitisch eingestuften „Vorfall“ einer Rede des israelisch-jüdischen Historikers Moshe Zimmermann am Holocaust-Gedenktag 2020 vor dem Landtag von Sachsen-Anhalt:

    „Vor den deutschen Landtagsabgeordneten sprach Zimmermann an diesem Tag über ‚den gewundenen Weg nach Auschwitz‘, der 200 Jahre vorher begonnen habe. Er wollte zeigen, dass uns gerade die frühen Anzeichen sich anbahnender Verbrechen Sorgen bereiten sollten, auch wenn sie für Zeitgenoss*innen oft nur schwer als solche zu erkennen sind, da sich die Gesellschaft nur langsam verändert, die Anzeichen sich erst über die Zeit verdichten. ‚Nie wieder Auschwitz? Zu banal, zu selbstverständlich‘, stellte er fest und lenkte stattdessen den Blick auf jene unscheinbaren Anfänge, die irgendwann vielleicht nach Auschwitz führen könnten. Diese Momente seien es, so der israelische Historiker, die die Warnung ‚nie wieder‘ verdienen würden. Zugleich betonte er, dass seine Rede, in der es ‚um das ubiquitäre menschliche Verhalten und um Universalgeschichte‘ ging, an die ganze Welt adressiert sei, und dass seine Schlussfolgerung ‚auch für Israelis [gelte], und nicht nur aus der Opferperspektive‘.” (S. 9)

    Im RIAS-Bericht 2020 wurde diese Rede anonymisiert als Vorfall aufgenommen, weil sie eine Gleichsetzung „der israelischen Politik gegenüber den Palästinenser_innen mit der antisemitischen Politik des Nationalsozialismus“ nahegelegt habe. Dass diese Fehldeutung kein Ausrutscher war, bestätigte jüngst RIAS-Sprecher Daniel Poensgen in einem Interview in der taz: „Hier werden in einem deutschen Parlament ausschließlich Israelis als Gruppe erwähnt, die aufpassen müssen, die deutschen Verbrechen nicht zu wiederholen. Dabei haben wir den Kontext der Aussage [vor einem deutschen Parlament] ganz besonders gewichtet und diese Situation als Vorfall in die Statistik aufgenommen.“

    RIAS behauptet, dass Zimmermann „ausschließlich Israelis“ erwähnt haben soll, obwohl dieser seine Rede explizit an die „ganze Welt“ adressierte und seine Schlussfolgerungen deshalb eben „auch für Israelis“ gelten ließ – und niemand stört sich daran. Der Funktionsmechanismus, der eine solche Missachtung von Evidenz möglich macht, ist der einer mit Staats- und Machtinteressen kompatibel gemachten Viktimisierung. RIAS will die „Perspektive von Juden” stärken, die per se als Opferperspektive gefasst wird. Die Perspektiven von Juden, die die Prämissen von RIAS nicht teilen – Moshe Zimmermann, die Diaspora Alliance, Iltay Mashiach und viele andere –, werden nicht nur ausgeblendet, sondern geraten unversehens auf die Täterseite. Moshe Zimmermanns Rede geriet zu einem „antisemitischen Vorfall“, weil ihre Universalisierung der Lehren von Auschwitz, vor einem deutschen Parlament, die „Perspektive von Juden“ als reiner Opferperspektive in Frage stellte. Mit diesem Verständnis können auch Nichtjuden, die diese Perspektive verteidigen, zu „Opfern“ von Antisemitismus werden. Dass Moshe Zimmermann als Universalist und im übrigen als Nachkomme von Holocaust-Überlebenden kein Antisemit ist, war für RIAS unerheblich: „(G)rundsätzlich spielt die Intention bei antisemitischen Aussagen für unsere Einschätzung keine große Rolle”, sagt Poensgen im Interview.  

    Aus dieser Perspektive findet auch das Missverhältnis eine Erklärung, demzufolge die Hochschulen laut RIAS ein Hort des Antisemitismus seien, mit überproportional vielen „antisemitischen Vorfällen“; obwohl doch eine Studie der Universität Konstanz vom April 2025 zu dem Ergebnis kam, dass „(a)ntisemitische Haltungen bei Studierenden weniger ausgeprägt (sind) als bei der Gesamtbevölkerung“. Während laut Konstanzer Studie zwanzig Prozent der Bevölkerung „allgemeinen Antisemitismus“ aufweisen, sind es unter Studierenden nur sechs Prozent. Der Anteil von nicht nur nach der IHRA-Definition bestimmtem „israelbezogenen Antisemitismus“ liegt in der Bevölkerung bei zehn Prozent, bei Studierenden bei sieben. RIAS kann es aber egal sein, ob die Studierenden tatsächlich Antisemiten sind oder nicht, nach welcher Definition auch immer. Es reicht, wenn in großer Zahl rote Dreiecke und Intifada-Sprüche gemeldet werden, die dann zusammen mit der schweren Körperverletzung von Lahav Shapira durch einen Kommilitonen zu einem mörderischen, für alle jüdischen Studierenden hochgefährlichen Szenario kombiniert werden.

    Mashiach handelt alle methodischen Probleme der Arbeit des RIAS und ihre Folgen der Reihe nach ab: die Außerachtlassung von Intentionen und das „Ewigkeitsargument“; die von der Datenlage nicht gedeckte „Überbetonung israelbezogene(n) Antisemitismus in der Außenkommunikation”; den Bias bei der Interpretation israelbezogener Äußerungen oder Symbole; die dünnen und einseitigen Begründungen; die Dekontextualisierungen und die Intransparenz; die ungelöste Frage, wie die Deutungsmacht bei der „Entschlüsselung antisemitischer Codes“ eigentlich legitimiert und rechenschaftspflichtig gemacht werden kann; die Diskreditierung und Stigmatisierung palästinensischer Narrative und der Generalverdacht gegen sie; sowie, als Kehrseite davon, die Stärkung des nationalistischen israelischen Siedlernarrativs und die Verschleierung von politischen und propagandistischen Zielsetzungen, indem der Protest dagegen als antisemitisch gebrandmarkt wird; und schließlich die Beförderung eines antimuslimischen, antiarabischen, antipalästinensischen Rassismus.

    RIAS hat den Gegenbericht der Diaspora Alliance bisher nicht inhaltlich kommentiert, sondern nur als grundlos böswilligen Versuch der Abwertung seiner Ergebnisse diffamiert. Er ist offenbar nicht in der Lage, auf die Kritikpunkte sachlich und inhaltlich einzugehen. Ja, er ist nicht einmal in der Lage, die kleinen Unsauberkeiten in dem Gegenbericht zu entdecken, die er ausbeuten könnte. An einer Stelle bezieht sich der Gegenbericht auf ein Vorwort des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, im Jahresbericht 2021 von RIAS Bayern, das angeblich antiarabische oder antimuslimische Aussagen enthalten habe. Die leicht verfälscht zitierte Aussage Schusters stammte jedoch aus einem Interview 2015.

    Aber anstatt einem freiberuflichen israelischen Journalisten die kleinteilige Mühe und die Verantwortung dafür aufzubürden, sollten sich Forscher in Deutschland finden, um die Arbeit von RIAS kritisch zu hinterfragen und um dafür zu sorgen, dass endlich mit offenen, diskutierbaren Rassismus- und Antisemitismusdefinitionen eine tragfähige Datenlage geschaffen wird. Es muss Schluss sein mit einem Antisemitismusverständnis, das umstandslos und ohne Differenzierungsmöglichkeit Antizionismus unter Antisemitismus subsumiert und Kritik – auch Fundamentalkritik – an Israel als per se antisemitisch denunziert. Es muss vor allem auch Transparenz hergestellt werden, und Intransparenz darf sich nicht hinter angeblichem Opferschutz verstecken: 80 Prozent der vom RIAS 2024 erfassten „Vorfälle“ richteten sich nicht gegen Einzelpersonen; es gibt also keinen Grund, sie nicht zu veröffentlichen. Die Befürchtungen, dass Kritik an Israel, am Zentralrat, an RIAS oder am Antisemitismusbeauftragten Felix Klein den Schutz von Juden und Jüdinnen gefährdet, müssen anders beantwortet werden als mit autoritären, wirklichkeitsverzerrenden Setzungen. Denn während die Menschenrechtsverletzungen und schweren Kriegsverbrechen in Gaza und in der Westbank genozidale Züge annehmen, von Deutschland aber weiterhin mit Waffen und propagandistischer Rechtfertigung unterstützt werden, schießen auch antisemitische Verschwörungstheorien ins Kraut. Und diese werden durch die Arbeit des RIAS eher befördert als bekämpft.

  • Stumpft die Fixierung auf den Genozidbegriff uns gegen neue Genozide ab?


    A. Dirk Moses: Nach dem Genozid. Grundlage für eine neue Erinnerungskultur, Berlin (Matthes & Seitz) 2023, 160 S.

    „Nach dem Genozid“ – es ist schwer, in diesen Tagen den Titel der 2023 auf deutsch erschienenen, stark gekürzten Fassung von Dirk Moses’ epochalem 600-Seiten-Werk „Problems of Genocide“ nicht auf Gaza zu beziehen, wo es bald kein palästinensisches Leben mehr geben dürfte. Aber gerade in Bezug auf Gaza hat auch die andere, eigentliche Bedeutung des Titels einen Sinn: dass der Genozidvorwurf selbst nicht taugt, um diese Verbrechen zu verhindern, und die Verbrechen eher verschleiert als klärt. Während sich die Erkenntnis durchzusetzen beginnt, dass es sich beim Vorgehen Israels in Gaza tatsächlich um einen Genozid handelt, ist es für Zehntausende von getöteten Menschen schon zu spät, und man ahnt, dass die Fixierung auf das Genozid-Paradigma selbst dazu beigetragen haben könnte. Die Institutionen des Völkerrechts kollabieren, und im Moment dieses Niedergangs werden ihre Geburtsfehler sichtbar.

    In Moses’ deutschem Buch ist, anders als in der englischen Vollversion, von Palästina fast nicht die Rede. Die zeitgenössischen Fallbeispiele sind vor allem das russische Vorgehen in der Ukraine, aber auch Sudan, Syrien, Myanmar, China. Es wurde vor dem 7. Oktober fertig gestellt und nimmt wohl auch Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten. Seine große These ist aber auch ohne expliziten Bezug auf Palästina mit der Staatsräson-getriebenen deutschen Erinnerungskultur inkompatibel. Sehr kurz zusammengefasst die These: Laut Genozid-Konvention 1948 sollten Verbrechen wie der Holocaust in Zukunft verhindert werden. Doch ihre Unterscheidung zwischen militärischen und genozidalen Intentionen (die ersteren zielen auf Niederschlagung, die letzteren auf Vernichtung) ermöglichten es genozidaler Kriegsführung, also Kriegen mit Vernichtungsabsicht, sich der engen Definition der Genozid-Konvention zu entziehen.

    Moses sagt, dass genozidale wie auch andere Formen der Massengewalt gegen Zivilist:innen von einer Pseudo-Rationalität getrieben werden, nämlich dem Streben nach einer „permanenten Sicherung“ durch Verhinderung antizipierter Angriffe. Das äußert sich in den Begrifflichkeiten der „Sicherheit“, der „Vorbeugung“, der „Endlösung“ etc. Die Pseudo-Rationalität der dauerhaften Sicherung rechtfertigt auch Massentötungen und Belagerungen von Zivilist:innen in nicht oder noch nicht genozidalen Kriegen, die Widerstand und Bedrohung nicht antizipieren, sondern darauf reagieren: mit Flächenbombardierungen und Drohnenangriffen, mit dem Einsatz der Atombombe, mit Aushungern und langsamem Sterbenlassen, mit Kolonialverbrechen aller Art. In der Praxis gehen militärische und genozidale Logiken und Intentionen Hand in Hand und sind miteinander verflochten. 

    Dass in Konflikten, wo es letztlich um Widerstandsbekämpfung geht, aus jedem Kind ein Terrorist werden und jeder unschuldige Mensch ein „human shield“ sein kann, macht grässliche Verbrechen möglich, die dann für die Zuschauer quasi unmerklich ethnisch und rassistisch aufgeladen in Genozide übergleiten können. Die Betroffenen wissen natürlich von Anfang an, welch verbrecherischer Dynamik sie ausgesetzt sind. Aber die Täter, die Bystander, die Komplizen können sich die Verbrechen schönreden, mit Verweis auf Verteidigung und dauerhafte Sicherung. „Nie wieder Hamas“ resultiert unter der Maßgabe der permanenten Sicherung zwangsläufig in der Zerstörung Gazas, in der Massentötung von palästinensischen Zivilist:innen und in ethnischer Säuberung, unter dem „humanitären“ Vorwand, das sei auch im Interesse der Bevölkerung. 

    Die deutsche Mehrheitsgesellschaft – in Medien, Politik, und auch in Fachkreisen – hat bis heute Dirk Moses nicht verziehen, dass er den „Katechismus“ ihrer staatlich sanktionierten Erinnerungskultur durch schlichte Beschreibung seiner Bestandteile bloßgelegt hat. Moses hatte mit seiner Intervention lediglich vorgeschlagen, die völkischen Vorannahmen der Erinnerungskultur loszuwerden und sie so weiterzuentwickeln, dass sie inklusiv für Opfererinnerungen wird, die von der Singularitätsthese mit ihrer Fixierung auf Ideologie verdeckt werden.

    Der „Historikerstreit 2.0“, oder wie immer man ihn nennen soll, zeichnet sich in Deutschland nun leider unter anderem auch dadurch aus, dass Dirk Moses bis heute regelmäßig diffamiert und in die Nähe von Holocaustverharmlosern und ‑relativierern gerückt wird. Eine Diskursanalyse der Selbstwidersprüche und empirischen Falschheiten, mit denen in deutschen Medien sein Ruf zerstört wurde, steht aus. „Moses und andere wollen weder in der Shoah noch im NS-Antisemitismus spezielle Qualitäten erkennen, die den nationalsozialistischen Massenmord an Jüdinnen und Juden von kolonialen Genoziden fundamental unterscheidet“, muss man jetzt gerade wieder in der Mai-Ausgabe der „Sehepunkte“ lesen, und keine deutschen Fachkolleg:innen nehmen Moses gegen diese abstruse Verleumdung in Schutz. Natürlich weiß Moses um die „speziellen Qualitäten“ des Holocaust und um die Unterschiede zu den kolonialen Genoziden. Aber er analysiert sie eben im historischen Zusammenhang, mit der besonderen Temporalität, die der Holocaust hatte: 

    „Sie planten die Eliminierung feindlicher Gruppen im Voraus. Anders als ‚klassische‘ imperiale Gewalt war ein Großteil ihrer Gewalt dementsprechend vorsätzlich geplant. Sie versuchten, der Geschichte eine Richtung vorzugeben. So gesehen markieren das nationalsozialistische Reich und dessen berüchtigte Vernichtungspolitik den Kulminationspunkt jahrhundertelanger Imperienbildung sowie denjenigen der Vernichtung von in- wie ausländischen Feind*innen, seien sie real oder eingebildet. Dieses imperiale Projekt stand unter dem Zeichen eines ‚Erlösungsimperialismus‘, weil es, wie Hitler sagte, zur historischen ‚Lösung der deutschen Frage‘ führen würde, für die ‚es nur den Weg der Gewalt geben‘ könne. Der ‚Erlösungsantisemitismus‘ der Nationalsozialist*innen war ein integraler Bestandteil dieses Projekts, schließlich bedeutete die Vernichtung ‚der Juden‘ für sie auch eine grundlegende Antwort auf ‚die deutsche Frage‘.“ (S. 104–105) 

    Die selbstwidersprüchlichen, gehässigen und verständnislosen Unterstellungen,  die in Deutschland sonst noch gegen ihn vorgebracht wurden, sind teilweise an anderer Stelle widerlegt worden, aber diese Arbeit ist wohl müßig. Die deutsche Erinnerungskultur muss sich endlich davon befreien, die „Lehre aus dem Holocaust“ nationalistisch misszuverstehen. Mit Staatsräson und permanenter Sicherung ist einem neuen Massenmord an Juden, wie am 7. Oktober 2023 geschehen, nicht beizukommen. Stattdessen wird Deutschland sich immer tiefer in Verbrechen und sich vollziehende Genozide verstricken. Wie jetzt in Gaza. Darum geht es Dirk Moses.

    https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/nach-dem-genozid.html

  • Zur Auseinandersetzung um das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

    Alexandra Senfft: Ignorierte Opfer. Sinti und Roma kämpfen weiter um die Erinnerung an den NS-Völkermord, Forum Wissenschaft (2025) 1, 29-32. 

    Das Bekenntnis Deutschlands zur Erinnerung an den Holocaust und zu den historischen Verpflichtungen Deutschlands gegenüber Jüdinnen und Juden ist inzwischen weitgehend ritualisierter Bestandteil staatspolitischen Auftretens. Für die andere Opfergruppe, die der Nationalsozialismus vollständig vernichten wollte, die Sinti und Roma, gelten diese deutschen Bekenntnisse weit weniger, obwohl sie mit gleicher brutaler Systematik entrechtet und ermordet wurden wie Jüdinnen und Juden. Nach dem Krieg blieb eine Anerkennung des Porajmos, des Genozids an ihnen, lange Zeit aus. Bis heute erfahren sie Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung und stehen bei Anlässen des kollektiven Erinnerns meistens am Rand – wenn sie überhaupt in Erscheinung treten.

    Alexandra Senfft schildert als einen besonders aufschlussreichen Fall die Auseinandersetzungen um das Denkmal im Berliner Tiergarten, das an die vom NS-Regime ermordeten Sinti und Roma erinnert. Erst 2012 konnte es – nach langem institutionellem Widerstand und zähem Hinhalten der Politik – eingeweiht werden. Die Gestaltung stammt vom israelischen Künstler Dani Karavan (1930–2021), der eine aus Klang, Skulptur und Natur zusammengesetzte Architektur, umgeben von Bäumen, schuf. Doch seit 2020 planen der Senat und die Deutsche Bundesbahn eine neue S-Bahn-Trasse „S21“, deren zweiter Bauabschnitt das Denkmal untertunneln wird. Zunächst sollte das Denkmal dafür vollständig abgetragen, dann vorübergehend entfernt werden. Es wurde schließlich eine Lösung gefunden, die die Architektur selbst halbwegs intakt halten wird, aber man muss damit rechnen, dass die umliegenden Bäume, die integraler Teil des Konzepts sind, gefällt werden. Für viele Sinti und Roma bedeutet das eine Entweihung des Ortes. 

    Der 2021 verstorbene Dani Karavan trug 2020 den Protest der Sinti und Roma mit und beklagte, „dass man mit dem (2005 eröffneten) Denkmal für die ermordeten Juden Europas niemals so umgegangen wäre“. Senfft beschreibt, wie Karavan schon bei der Arbeit an dem Denkmal stark aufgefallen war, „dass Romanes-sprachige Menschen als Opfer zweiter Klasse betrachtet werden: ‚Als Jude kann ich das sagen. Man interessiert sich für die Sinti und Roma nicht.‘“ Die Familie Karavans hat im Juli 2024 einen Protestbrief gegen die S-Bahn-Trasse mitinitiiert, der von zahlreichen Kunst- und Kulturschaffenden unterzeichnet wurde. Bisher sieht es jedoch nicht so aus, dass die Risiken einer Beschädigung des Denkmals ernstgenommen würden – obwohl man wohl froh sein muss, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. 

    Ich finde diesen Fall aus zwei Gründen besonders interessant, die in dem Beitrag nicht reflektiert werden: Zum einen zeigt der Einsatz der Familie Karavan eine opferübergreifende Solidarität, die man auch in vielen anderen Konstellationen beobachten kann. Angehörige von Holocaustopfern setzen ihre Positionalität ein, um Angehörigen von Opfern des Porajmos zu helfen. Es setzen sich auch heute Juden, jüdische Israelis für Palästinenser:innen ein; Ukrainer:innen sind ebenfalls mit Palästinenser:innen solidarisch, Rom:nja ebenso; Palästinenser:innen solidarisieren sich wiederum mit Sudanes:innen, usw. Aus der gemeinsamen Erfahrung der Marginalisierung und Entrechtung und des drohenden oder vollzogenen Genozids entsteht Widerstand gegen die Versuche der Mehrheitsgesellschaft, die Opfergruppen gegeneinander auszuspielen und die einen gegenüber den anderen zu privilegieren. 

    Zum anderen weist der Fall weist aber auch noch darüber hinaus. Es hat für die Durchsetzung und den Erhalt des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma in der deutschen Erinnerungskultur sicherlich sehr geholfen, ja, war möglicherweise entscheidend, dass Dani Karavan Jude war; dass er auch Israeli war, mag weiterhin nützlich gewesen sein. Aber dieser Einsatz jüdisch-israelischer Positionalität in der deutschen Erinnerungskultur ist voller Ambivalenz. Karavans erste große Denkmal-Architektur war ein Monument für die Palmach-Brigade in der Negev-Wüste, in der Nähe von Beersheba in den Jahren 1963 bis 1968 erbaut – ein Ensemble aus Beton, Wüstenakazien, Wasser und Windorgeln. Die Palmach waren zionistisch-gemäßigte Paramilitärs, die vor der Gründung Israels mit den Briten zusammenarbeiteten und einerseits Siedlungen gründeten und verteidigten, andererseits die zionistisch-extremistischen Terrororganisationen der Irgun bekämpften. Wenn die Schlacht bei El-Alamein gewonnen worden und Nazi-Deutschland in Palästina einmarschiert wäre, hätten die Palmach die dort lebenden Juden gegen ihre sichere Ermordung im Holocaust verteidigt. Stattdessen kämpften sie im Unabhängigkeitskrieg gegen die arabischen Staaten und waren maßgeblich an der Nakba beteiligt. In der Negev, wo Karavans Denkmal an die Palmach erinnertsteht, übernahmen sie die ethnische Vertreibung der palästinensischen Bedouinen aus ihren Dörfern; diese hatten 48 Stunden Zeit, um sich nach Gaza zu begeben. Als Karavan 1963 mit der Arbeit an dem Denkmal begann, war es gerade erst 15 Jahre her, dass die gesamte arabische Bevölkerung Beershebas vertrieben oder in Massakern getötet worden war.

    Aus einer verengten antizionistischen Perspektive mag die Positionalität Karavans und seine Annahme von Staatsaufträgen wie für das Palmach-Denkmal ihn für ein Denkmal an die ermordeten Sinti und Roma disqualifizieren. Ich sehe es aber anders: Ich  würde mir wünschen, dass eine ganzheitliche Problematisierung dieser erinnerungspolitischen und erinnerungskulturellen Zusammenhänge möglich wäre. Das Denkmal im Tiergarten ist für die Gemeinschaft der Roma und Sinti wichtig und wird von den Angehörigen der Opfer als ein Ort des Gedenkens angenommen – während das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ von Anfang an, nach den Worten Paul Spiegels, nur „das offizielle Denkmal der Bundesrepublik Deutschland“ war, und kein „Gedenkort der Juden in Deutschland“. Der Wunsch der Rom:nja nach einem respektvollen, und das heißt auch nicht ritualisierten, nicht bürokratisierten und nicht politisierten Umgang mit dem Denkmal muss respektiert werden. Gleichzeitig sollte der Preis, der für eine staatliche Anerkennung des Opferstatus in der offiziellen Erinnerungskultur immer bezahlt werden muss, und den in diesem Fall wieder einmal die Palästinenser:innen zahlen, reflektiert werden. Denn nur so kann man verhindern, dass die Solidarität zwischen Opfergruppen exklusiv wird und ihrerseits Marginalisierung hervorbringt. 

    https://www.bdwi.de/show/11261854.html

  • Peter Beinhart im Gespräch mit Karen Attiah über Jüdischsein

    Peter Beinart: Being Jewish After the Destruction of Gaza: A Reckoning, Gespräch mit Karen Attiah, Bookstore Politics and Prose, Washington DC, 25. Februar 2025.

    Hier „picke“ ich ein Gespräch mit Beinhart, geführt mit Karen Attiah, am 25. Februar 2025 in einem überfüllten Buchladen in Washington DC, das ich besonders bewegend finde. Er ringt – auf der Grundlage seines jüdischen Glaubens und seines Verständnisses von jüdischer Tradition – um konkrete Antworten auf konkrete ethische Fragen angesichts der Zerstörung Gazas und des andauernden Genozids an den Palästinenser:innen. Dass so viele jüdische Gemeinden sich über den Zionismus und über Israel definieren und Apartheid und Genozid mit dem Schutz des Judentums legitimieren, versteht er auch als Ausdruck einer spirituellen Armut und der Trivialisierung jüdischer Traditionsbestände. Fast immer werde die Geschichte des jüdischen Volkes nur als Geschichte von Opfern und von Selbstbehauptung erzählt: das jüdische Volk in einem Überlebenskampf mit dem absolut Bösen, mit „Amalek“. Dabei werde übergangen, dass in den biblischen Geschichten auch Jüd:innen Täter sind und, wie jedes Volk, Massenverbrechen begehen können. Für die spirituelle Praxis und ethisch-religiöse Bildung sei es jedoch wichtig, die Möglichkeit zu berücksichtigen, selbst Täter zu sein. Er ruft ein Judentum auf, in der Jüd:innen gleiche Rechte benötigen und beanspruchen, wo immer sie leben, und nicht die Suprematie eines Staates, der die Selbstbestimmungsrechte und Menschenrechte von Nichtjuden verletzt . 

    Beinhart erzählt von Freunden und Verwandten, „loved ones“, die wegen seiner klaren Haltung zum Genozid den Kontakt zu ihm abgebrochen haben. Er erklärt ihr Schweigen und ihre Abwendung damit, dass sie schlechtere oder gar keine Argumente haben. Sie können sich aufrichtigen Diskussionen nicht stellen und wollen nicht zuhören. Aber es ist sehr eindrucksvoll, dass und wie seine leidenschaftlichen Stellungnahme nie moralisch überheblich oder verhärtet klingt. Er entzieht sich der Instrumentalisierung der Geiseln und den „Empathie“-Bekenntnissen, und um so glaubwürdiger wirkt die Empathie, die er für die Geiseln zeigt, auch in der gemeinsamen Zugehörigkeit zum jüdischen Volk. 

    Im Gespräch gibt es eine längere Passage, in der er über seine Erfahrungen in Südafrika spricht, wo sich ebenfalls eine suprematistische Elite aus Angst vor dem durchaus gewaltsamen Widerstand und der Rache der ANC die Abschaffung der Apartheid nicht vorstellen konnte. Die Geschichte Südafrikas und auch Irlands lehren, dass die eigene Sicherheit zunimmt, wenn ein Unterdrückungsregime endet, weil dann terroristischer Widerstand überflüssig wird. Diese Erkenntnis will Beinhart auf Israel/Palästina übertragen. Aber hört am besten selbst: 

    ↗ https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=yBwLLJM1EGw

  • Folterstaat, Kleptokratie, Salafismus und die Krise der Darstellung

    Folterstaat, Kleptokratie, Salafismus und die Krise der Darstellung

    Foto: Hossam el-Hamalawy

    Syrien, wenige Monate nach dem Fall der Assad-Diktatur: Noch immer sind weit über 100.000 vom Regime entführte Opfer verschollen, fast täglich werden neue Massengräber entdeckt. Die meisten von ihnen zu Tode gefoltert; davon müssen zumindest die Angehörigen der Verschwundenen ausgehen. Zehntausende, die an dem Foltern und Morden beteiligt und in den „Politizid“ schuldhaft verstrickt waren, laufen frei herum. Für „transitional justice“ – seien es Gerichtsprozesse oder Wahrheitstribunale – gibt es auf absehbare Zeit keine Ressourcen, keine Kraft, keine Strukturen. Die von Assad über Jahrzehnte unterdrückte und ausgeplünderte Bevölkerung lebt in unbeschreiblicher Armut. Der Westen hält seine Sanktionen aufrecht, niemand im Westen protestiert gegen die völkerrechtswidrigen Invasionen und Bombardierungen durch Israel. Assad-Anhänger, die ihre Privilegien verloren haben, verüben immer wieder Anschläge auf die Sicherheitskräfte des neuen Regimes. Das neue Regime schafft es nicht, will es wohl auch nicht schaffen, eigene Leute und konkurrierende Banden von Rachefeldzügen gegen die Bevölkerungsgruppe abzuhalten, aus der die Assad-Anhänger vor allem stammen. Und auch wenn neuen Massakern Einhalt geboten werden sollte, droht am Horizont wieder ein neuer Genozid, diesmal an den Alewiten.

    Die Bundesrepublik hat über einer Million Menschen aus Syrien Zuflucht geboten, macht sich von der politischen Situation des Landes aber keine Vorstellung. Schnell begnügt man sich mit der bequemsten Erklärung: Syrien ist, so heißt es, eben ein Vielvölkerstaat in einem bald latenten, bald offenen Bürgerkrieg. Das Assad-Regime habe immerhin Minderheiten lange einen gewissen Schutz geboten, nun aber bedrohe die sunnitische Mehrheit in einer „nie dagewesenen Islamisierung“ Alewiten, Christen und Drusen. Diese Erklärung passt zu den Rechtfertigungsnarrativen der gescheiterten deutschen Syrienpolitik, die schon 2013 mit Verweis auf „Dschihadisten, Terroristen und Extremisten in Syrien“ und die von ihnen bedrohten „Alawiten und Christen“ dem mörderischen Regime nichts entgegensetzen wollte. 

    Die syrischen Intellektuellen und Studierenden, die den demokratischen Widerstand gegen das Assad-Regime 2011 und folgende mittrugen und nach 2013 nach Europa geflohen sind, erzählen aber eine andere, eine kompliziertere Geschichte; eine Geschichte, in die Europa und die USA immer schon verstrickt sind. Sie sprechen von ”Konfessionalisierung“ (auf englisch besser: „sectarianism“) und sehen die Ursachen dafür nicht, oder jedenfalls nicht in erster Linie, im Dominanzanspruch des sunnitischen Islam, sondern in den Herrschaftstechniken, die das Assad-Regime in über 50 Jahren zur Perfektion gebracht hat. In einem 2022 auf Französisch erschienenen Schwarzbuch der Assads sind diese im Detail nachzulesen.

    Diese Herrschaftstechniken der Spaltung und der Unterdrückung und gleichzeitigen Instrumentalisierung von Identitäten wurden begleitet von systematischer, erfindungsreicher Folter als allgegenwärtiger Möglichkeit. Die Folter hatte seit Anfang der 1970er Jahre in „Suriya al-Assad“, dem mit Assad identifizierten totalitären Polizeistaat, allmählich von der ganzen syrischen Gesellschaft Besitz ergriffen und konnte seit dem Beginn der Revolution 2011 jeden treffen, auch Frauen und Kinder. Das verkörperte Wissen um die Folter und ihre allgegenwärtige Möglichkeit, in der Assad’schen Ausprägung, kam mit der Massenflucht aus Syrien seit 2013 nach Deutschland. Als ich 2015 meine ersten Begegnungen mit syrischen Geflüchteten hatte, war die Konfrontation mit der Allgegenwart der Möglichkeit von Folter in ihren Erzählungen, in ihren Körpern, das, was meine Sicht auf die Welt – auch auf meine Welt in Deutschland und Europa – am nachhaltigsten veränderte. Syrische Studierende erzählten mir Albträume, die ich nie vergessen werde. Der Filmproduzent Orwa Nyrabia zeigte den Dokumentarfilm Silvered Water. Syria Self-Portrait, der zahllose Handy-Aufnahmen nicht nur von Bombardierungen und Kriegsszenen, sondern auch von Gefängnisfolter zu einem Kunstwerk verarbeitet; unter lebensgefährlichem Einsatz der syrisch-kurdischen Dokumentarfilmerin Wiam Simav Bedirxan und der Regie des nach Paris geflüchteten Regisseurs Ossama Mohamed. Später las ich Mustafa Khalifas autobiographischen Roman Das Schneckenhaus 

    Ein hervorragender Opferzeuge und Denker dieses staatlichen Terrors ist der in Berlin lebende politische Autor und Journalist Yassin Al-Haj Saleh. Er hat 2023 bei Matthes & Seitz in deutscher Übersetzung ein Buch über die Folter in Syrien und ihre Darstellung herausgebracht, zu einem Zeitpunkt, als die Assad-Diktatur, die sich als „ewig“ bezeichnete, fester im Sattel zu sitzen schien denn je. Dass Assad jetzt Vergangenheit ist, macht das Buch aber nicht weniger aktuell. Die in dem Buch zu einem einheitlichen Werk zusammengefassten Texte waren zunächst auf arabisch in unterschiedlichen Kontexten erschienen. Sie zeigen Verbindungen zwischen der Folter, dem Konfessionalismus und dem Salafismus auf, die immer noch wirken und auch in den sogenannten Westen weisen. Yassin Al-Haj Saleh hat selbst während seiner 16jährigen Haft (noch unter dem Vater Assad, zwischen 1980 und 1996) Folter erfahren; verurteilt als Mitglied einer kommunistischen Partei. Die an ihm begangene Folter war so, dass sie keine irreversiblen Schäden hinterließ; er konnte sie überwinden. Doch wurde er Zeuge der schrecklichsten und fürchterlichsten Foltern, mit denen die Anhänger der Muslimbrüderschaft gebrochen werden sollten: Folter, von der kein Mensch ins Leben zurückkehren kann.

    Das Buch bietet nicht weniger als eine politische Anthropologie der Folter. Saleh unterscheidet zwischen Foltern, die ein Weiterleben nicht ausschließen, und solchen, die den Tod nach sich ziehen; den Tod unter Folter und den Tod durch Folter; Foltern, die an Individuen begangen werden, und Foltern, die ein Kollektiv treffen. Das Buch ist voll von solchen Unterscheidungen, um Folter systematisch zu begreifen. Saleh erdachte sich wohl schon während der Haft und dann nach seiner Entlassung die Konzepte und Begriffe und Typologien, um seine Erfahrungen nicht literarisch, sondern politologisch-sozialwissenschaftlich zu verarbeiten. Er ist ein vielbelesener Autodidakt, nicht Teil des akademischen Betriebs, aber auch kein Journalist im engeren Sinne. Sein Schreiben ist nicht berichtend oder kommentierend, sondern immer analytisch, ordnend, konzeptionell. Er will seine Leser:innen dazu bewegen, der allgegenwärtigen Möglichkeit von Folter kühl, nüchtern ins Auge zu blicken und sie als eine extreme Erscheinungsform politischer Gewalt zu verstehen, die durch das kollektive implizite Wissen um sie einen Kreislauf der Vernichtung in Gang setzt.

    Er unterscheidet phänomenologisch drei Folterarten, in Bezug auf die Grenzen, die sie überschreiten, und auf ihre intendierten Wirkungen: Erstens die klassische Ermittlungs- oder Verhörfolter, die die Grenzen des Gefolterten überschreiten, um Geständnisse oder Informationen zu erpressen. Hier hilft die Unterwerfung und der Verrat, um die Folter zu beenden. Zweitens die Demütigungs- und Rachefolter, oder auch die Abschreckungsfolter, die willkürlich und unberechenbar ist, die eine unvergessliche Lektion erteilen soll, die der Gesellschaft als Ganzes gilt, ihr den unbedingten Gehorsam einpflanzen und Resistenzen insgesamt auflösen soll. Und drittens die Vernichtungsfolter, die nicht nur die Grenzen der Gesellschaft, sondern die Grenzen der Menschheit überschreitet, in der es kein Ermessen mehr gibt, die eine organisierte Mordindustrie erfordert. Ihr reicht als Vergehen, dass der Gefolterte überhaupt existiert. 

    Weiterhin unterscheidet Saleh die verschiedenen Ebenen der Folter: die Beziehungsebene zwischen dem Folterer und dem Gefolterten, auf der die Folterhandlung stattfindet; die Ebene des Apparats, des Betriebs, den es für die Folter benötigt; die Systemebene – Folter als Staat und als Ökonomie; und schließlich die Ebene der Welt, die die Folter geschehen lässt, um sie weiß und dabei von der Folter zerstört wird. Die intime Kenntnis dessen, wie Folter im Assad’schen Syrien funktioniert hat und was sie anrichtet, offenbart sich in dem Buch in zahlreichen Beobachtungen, die die Schrecklichkeit der Folter anschaulich machen, ohne je blutige Einzelheiten auszubreiten. Er beschreibt die Psychologie der Folter, wo die Angst des Gefolterten dem Hass des Folterers gegenübersteht. Beide werden entmenschlicht, indem der Folterer in der Macht über den Körper Gott gleich wird, der Gefolterte hingegen zur Sache. Damit der Folterer in der Folterbeziehung standhalten und den kalten oder heißen Hass für das Foltern aufbringen kann, muss er den Gefolterten eines Verbrechens beschuldigen, und dieses Verbrechen liegt in der Abweichung von dem Willen Assads. Um vom Willen Assads abzuweichen, reicht es, ein Mensch zu sein. Der Folterer reklamiert bedingungslose Liebe zu Assad, ist total mit Assad identifiziert und fordert eine Unterwerfung, die nie genügt. Paradoxerweise erleichtert die Folter dem Mörder die Schuld, hier zitiert Saleh Primo Levi: „Bevor das Opfer starb, musste es erniedrigt werden, damit der Mörder das Gewicht seiner Schuld nicht so spürte.“ 

    In dem Ziel der Vernichtung von Gemeinschaften, der Überflüssigmachung von Menschen und der Vernichtung von Welthaltigkeit überhaupt sieht er die Gemeinsamkeit genozidaler Regime. Assad-Syriens Massenmorden war unterhalb eines industriellen Niveaus, ein „manufakturhaftes System“, nicht unpersönlich und systematisch wie unter den Nazis, sondern mit Hingabe betrieben, kreativ, direkten Körperkontakt erfordernd, Gewohnheiten und Neuerfindungen verbindend. Während die Todesökonomie der Nazis kapitalistisch und irrational gewesen sei, diente sie unter Assad, obwohl auch Syrien eine hochgradig bürokratisierte Diktatur war, der in die äußerste Konsequenz getriebenen Rentierwirtschaft einer Familienherrschaft. Folter, auch in der Form von Aushungern und der Verweigerung des Zugangs zu überlebenswichtigen Gütern, sowie in der Form des Bombenterrors und des willkürlichen Zufügens von Schmerzen durch gegen Zivilist:innen gerichtete Angriffe, steht mit genozidaler Vernichtung in einem merkwürdigen Verhältnis. Die Vernichtungsfolter foltert auf den ersten Blick unnötig, da die Opfer so oder so sterben werden; ihr Sinn liegt darin, dass die Gemeinschaft, die vernichtet werden soll, weiß, dass Folter schlimmer ist als der Tod. Sie erkennt aber auch an, dass sie es mit Menschen zu tun hat, die erst entmenscht werden müssen, bevor man sie tötet. Für den Holocaust hingegen war Foltern, auch wenn es häufig vorkam, keine Notwendigkeit, so Saleh: „Demgegenüber verspürten die Nazis keinerlei Notwendigkeit, die Juden zu foltern, behauptete ihre rassistische Theorie doch apriori, um das bösartige Wesen der Juden zu wissen, womit diese von vornherein von jeder Gleichheit ausgeschlossen waren“ und „wie Läuse“ betrachtet wurden, so ungleich und bereits entmenscht, dass sie sozusagen der Mühe der Folter nicht wert waren.  

    Saleh schreibt auch zum Zusammenhang von Folter und Vergewaltigung: Beides verleiht absolute Macht über den Körper. Die Folter an Männern in Syrien war vom gleichen Chauvinismus getrieben, fand in der gleichen machistischen Geschlechterordnung statt wie die Vergewaltigungen der Frauen, mit einer Männlichkeitsvorstellung, die mit der Folter den männlichen Konkurrenten ausschalten und mit der Vergewaltigung die Frau schrankenlos besitzen will. Die Vergewaltigung ist Teil der genozidalen Vernichtung, sie soll die Gemeinschaft unfähig zur Fortpflanzung machen, als „aufgeschobener Mord“. Saleh sieht im IS und im Assad-Staat zwei Varianten systematischer Vergewaltigung: Während im IS, religiös verbrämt, ein Mann viele Frauen besitzt und vergewaltigt, vergehen sich im angeblich säkularen Terrorstaat viele Männer an einer Frau. (Ob diese Unterscheidungen empirisch immer haltbar sind, ist eine andere Frage; man muss sie idealtypisch verstehen.) Die seit den 1970er Jahren sich sukzessive immer mehr durchsetzende Verschleierung von Frauen in Syrien ist jedenfalls nicht nur eine Begleiterscheinung der zunehmenden Islamisierung, sondern reagiert auch auf die Vergewaltigungsbedrohung im Folterstaat. 

    Die syrische Revolution in ihren Anfängen versteht Saleh als einen Kampf der Syrer:innen um die „Würde ihrer Körper“: um einer Staatsgewalt Grenzen zu setzen, die bei der Verletzung der Würde von Körpern zu jeder Grenzüberschreitung fähig war und bei der Bekämpfung der Revolution dann genau dies im Exzess demonstrierte. 

    Der sogenannte Westen, Nord-Amerika und Europa, hat der grausamen Niederschlagung der syrischen Revolution weitgehend tatenlos zugesehen. Die „roten Linien“, die Barack Obama 2012 für den Fall des Einsatzes von Chemiewaffen gezogen hatte, wurden 2013 mit den Sarin-Angriffen auf Ghouta und mit vielen weiteren chemischen Angriffen überschritten, ohne dass die USA auch nur eine Flugverbotszone über Syrien eingerichtet hätten. Der Anteil des „Westens“ an der Entstehung und Stabilisierung des Assad-Regimes geht aber noch weit über das bloße Zusehen von Kriegsverbrechen hinaus. Die Destabilisierungen der jungen Demokratien im Mittleren Osten bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg durch kolonialistische und imperialistische westliche Machtpolitik und Kriege, durch die Nakba und die sukzessiven Massenfluchtbewegungen aus Israel/Palästina und durch das Insistieren auf einem konfessionell gebundenen jüdischen Staat, der westlichen Interessen verbunden war, untergrub die Legitimation der rechtsstaatlichen und demokratischen Bestrebungen in den arabischen Ländern. Dem Anspruch und der konstitutionellen Form nach war Syrien seit 1946 eine nicht konfessionell gebundene Republik. Konfessionelle Zugehörigkeiten und Identitäten wurden geleugnet und unterdrückt. Gerade der angebliche Säkularismus machte Syrien und seine Machthaber nach dem Ende des Kalten Krieges im Westen akzeptabel. Dabei hatte die Assad-Familie seit ihrer Machtübernahme 1970 den syrischen Sicherheitsapparat und die meisten wichtigen Positionen mit ihr loyalen Alewiten besetzt, die Konfessionen systematisch gegeneinander ausgespielt, den Konfessionalismus angeheizt und ihn als Waffe eingesetzt. Nach dem Generationenwechsel von Vater auf Sohn Assad war es gerade diese Form der „Minderheitenprivilegierung“ und des Doppelstaates, die das Assad-Regime unter dem in London ausgebildeten Bashir al-Assad als modern und potentiell dem Westen zugewandt erscheinen ließ.

    Der „Krieg gegen den Terror“ seit 9/11 gab dem Kampf des Assad-Regimes gegen die Muslimbruderschaft und die Islamisten erst richtig Schubkraft. Auch wenn es der Iran und Russland waren, die die militärische Unterstützung lieferten, ohne die das Regime sich 2013 nicht hätte halten können und ohne die es im Dezember 2024 dann auch prompt kollabierte: Der im Westen produzierte antimuslimische Rassismus half dem Regime bei der Ausbildung und Erhaltung der mörderischen Kleptokratie. Für Kleptokratien sind Ethnien, Zugehörigkeiten und Konfessionen nur ein Instrument, um die Bevölkerung zu spalten und sich äußeren Mächten anzudienen; ein Vorwand, um jede Freiheitsregung zu unterdrücken und die unterworfene Bevölkerung auszuplündern. Das hat das Assad-Regime durch Erpressungen, Geiselnahmen, Raubüberfälle in bisher nicht gekanntem Ausmaß gemacht. Das kleptokratische Regime konnte sich nach außen als Schutzherr von Minderheiten gerieren, die es begrenzt privilegierte und die vor allem deshalb, wie von vornherein beabsichtigt, von der sunnitischen Mehrheit gehasst wurden. Die antimuslimische Aufladung der Terrorismusbekämpfung und der Rassismus, dem ein gut rasierter und gut gekleideter massenmordender Bashar al-Assad mit seiner hübschen, in England aufgewachsenen Frau „zivilisierter“ erscheint als ein bärtiger Islamist, den man auch ohne Fernsehton Allahu Akbar rufen hört, verschafften ihm die internationale Legitimation oder Duldung für seine Verbrechen. 

    Yassin Al-Haj Saleh nennt das den „konfessionell-rassistischen Komplex“: „die Welt der Identitäten und Abstammungen“, die das Umfeld für die Genozide bilden. In der Darstellung des Schrecklichen wird erkennbar, dass der Assad-Staat eben nicht nur ein syrischer Sonderfall war, sondern eine „strukturelle Entsprechung“ in den internationalen Beziehungen hat. Das Völkerrecht selbst zeigt hier seine asymmetrische Seite, die sich mit den Diktaturen an der Peripherie seiner tragenden Mächte arrangiert. Die Foltern des Assad-Regimes können überall blühen. Sie sind nur die letzte Konsequenz einer „modernen“ Haltung, die skrupellos und räuberisch die eigenen Interessen durchsetzt und sich dafür des Rassismus bedient. Sie sind im Grunde eine Neuauflage der Quälereien und Foltern des Kolonialismus, während noch vorhandene Bindungen an irgendwelche Vorstellungen von Recht nicht mehr nur versteckt, sondern offen aufgekündigt werden. Der Islamismus reagiert darauf, indem er sich „salafisiert“ und seinen eigenen konfessionell-rassistischen Komplex ausbildet. Die Geschichte des Assad-Folterstaats kann diejenigen unter uns, die nicht – oder nicht mehr oder noch nicht – vor Folter Angst haben müssen, lehren, Folter nicht mehr als das Problem von anderen zu externalisieren, sondern als Signatur von in Geiselhaft genommener, dysfunktionaler moderner (National)staatlichkeit zu verstehen. 

    Der letzte in dem Buch abgedruckte Text, vielleicht der interessanteste, widmet sich schließlich dem Problem der Darstellung von Folter und der Vermittlung des Schmerzes, die diesen erst kollektiv, das heißt politisch verarbeitbar macht. Saleh versteht Darstellung als eine „Kombination von Ausdruck (die Erfahrungs- bzw. Ideenachse) und Gestaltung (Überlieferungsachse)“. Gestaltung ist undenkbar ohne eine Überlieferung, in die sie sich einschreiben kann. Aber die Überlieferung kann selbst nicht die neuen Darstellungsformen bieten, die für den Ausdruck neuer Erfahrungen gebraucht werden. Die „Darstellung des Schrecklichen“ ist auf existierende Formenbestände des politisch-sozialen Denkens einerseits angewiesen, muss sie andererseits kreativ weiterentwickeln. Wie kann das dem arabischen politischen Denken der Gegenwart gelingen? Hier sieht Saleh das eigentliche Problem des Islamismus: Wie jede traditionalistische Ideologie ist er zwar durchaus gestalterisch, doch sein Ausdruck, seine Subjektivität, ist auf Konflikt und Negation beschränkt. Dem erfahrenen Leiden, dem Gefoltertwerden, den Traumata, kann er keine Bedeutung, keine Darstellung geben, weil das das islamistische Traditionsverständnis herausfordern würde. Alles Erlittene, so will es die Ideologie, darf nur im Rahmen des Überlieferten ausgedrückt werden. Saleh zitiert die marokkanischen Philosophen Mohammed Abed Al-Jabri und Abdallah Laroui: Im arabischen Denken gebe es einen besonderen Mechanismus, der das „Verborgene“, das „Ungelöste“, das „Problem“ – all jenes eben, an dem man leidet – immer an einem „Beleg“ messe. „Der ‘Beleg’ ist in der islamischen Rechtslehre ein Thema, zu dem bereits ein religiöses Urteil vorliegt.“ Dieses Denken in Analogien validiert alle Erfahrung nur anhand eines vorliegenden, autoritativen Textes. Liegt für eine zu verarbeitende Erfahrung kein geeigneter Text vor, wird die Erfahrung zur Abweichung und muss aufgegeben und ausgegrenzt werden. Eine „Darstellungsverweigerung“ – von der Laroui annahm, dass sie selbst „von einem als unerträglich empfundenen historischen Trauma herrührt.“ Laroui hatte über ein in vorislamische Zeit zurückreichendes historisches Unglück spekuliert, eine „Schande und Schmach“, die mit der Entstehung der Sunna selbst verbunden gewesen sei. Die Sunna sind im Altarabischen die Gebräuche, Handlungsweisen und Normen, die die auseinandergesprengten arabischen Stämme zusammenhalten sollen. Der Islam hat sie religiös aufgeladen: die „Sunna“ des Propheten sind nach dem Koran die zweite Quelle des islamischen Rechts. 

    Saleh sieht die Geschichte der arabischen Welt voller gescheiterter Darstellungen. Auch seine eigene Anhängerschaft an den Kommunismus, von dem er sich erst unter dem Eindruck von Lektüren während der Haft löste, sieht er als ein verkürztes, den realen Erfahrungen nicht entsprechendes Denken und als einen Fall dieses Scheiterns. Und heute? „Es scheint, dass wir heute wieder mit einem enorm verletzenden Geschehen konfrontiert sind, welches auch diesmal wieder starke Abwehreffekte mit dem Ziel des Selbstschutzes hervorruft.“ Die Sunna breche einmal wieder auseinander. Die kollektive Identität der sunnitischen Muslime werde nur noch durch äußerst gewaltvolle, die Realitäten ausblendende Ideologie zusammengehalten. Alle über Generationen unterdrückte Ereignisse und Erfahrungen werden in dem Auseinanderbrechen freigesetzt, „sie treten als gestaltlose Bestien, Dämonen und Monstren auf, die ihrerseits von keiner Sunna eingehegt werden.“

    Was bräuchte es, damit das politische Denken in Deutschland und Europa sich liebevoll, zuhörend, menschlich dieser auch durch westliches Einwirken entstandenen Kette von Traumata und Darstellungskrisen in der arabischen Welt zuwendet? Und davon ablässt, durch Rassismus zu ihrer Fortsetzung beizutragen? Saleh beschreibt – ohne jemals zu psychologisieren – die Psychologie des Islamismus als eine ausweglose Situation der Gestaltlosigkeit, „einer nackten, bis ins Äußerste schmerzlichen Existenz“. Er verweist auf Hannah Arendts Überlegungen über das Nachdenken: nur durch den Dialog der Einzelnen mit sich selbst, den kreativen Denkprozess, den Anfang zur Darstellung, kann das Selbst sich disziplinieren und ein Gewissen entwickeln. Im Sufismus hat der Islam dafür Traditionen entwickelt. Am anderen Ende der Skala der Möglichkeiten, die der Islam zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit anbietet steht der „Extremfall“ des „homo islamicus, den die Islamisten in Massenproduktion hervorzubringen streben: ein Roboter, der nicht denkt und dessen Betriebssystem Scharia heißt“, und der Ausdruck nur im Töten findet. Ein weiterer Extremfall sei die Auschwitz-Erfindung des in den Tod gefolterten „Muselmanns“, der im Assad-Gefängnis dahinsiecht und dem in der völligen Selbstaufgabe „nichts Menschliches mehr eigen ist.“ 

    An einer Stelle macht Saleh dann doch den Kulturvergleich: „Das arabische Kulturerbe bietet weniger Darstellungsoptionen als die westliche Moderne mit ihrer Vielsprachigkeit und ihrem Formenreichtum (…).“ Inwieweit der „Westen“ bei der Überwindung der Darstellungskrise Auswege bietet und inwieweit er das Leid und die Darstellungskrise (mit)verantwortet, wurde schon unter den Gefolterten und Gefangenen in Mustafa Khalifas autobiographischem Roman heiß diskutiert. Umso bitterer ist der Verrat, den die aus Syrien und anderen arabischen Ländern nach Deutschland und Europa geflüchteten Muslim:innen und Araber:innen im Westen empfinden müssen. Das eine sind die westlichen Pläne für das Immobilienparadies in Gaza, hilflos-verlogenes Händeringen, Unterstützung und Teilhabe am möglichen Genozid an den Palästinensern und die widerspruchslose Duldung der Invasionen und Bombenangriffe in Syrien. Das andere ist die Bedrohung der Möglichkeiten der Darstellung dieses Schrecklichen selbst. Sie werden durch politische Eingriffe in Wissenschaft, Kunst und Kultur und das Versagen der Öffentlichkeit immer weiter beschnitten. Die „Schande und Schmach“ und das „als unerträglich empfundene Trauma“ am Urgrund der Darstellungskrisen in der arabischen und muslimischen Welt haben eben doch ihre Entsprechungen „bei uns“ – und vielleicht sind sie, wenn wir es mit der Einzigartigkeit des Holocaust ernst meinen – noch weit schändlicher und schmachvoller als alles, was im vorislamischen oder islamischen Arabien je passieren konnte. Assad ist weg – aber das Schreckliche nicht. Ihm ins Auge zu sehen und menschlich zu bleiben, menschlich zu werden, das können wir von Yassin Al-Haj Saleh lernen.